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#578 Marokko, Hoher Atlas - Verloren am Berg, Tizi n'Test Pass

Mittwoch, 7. Dezenber 2022 - Verloren im Atlas Gebirge und was für ein Pass!

 

 

 

Moin, 

 

Hundegekläffe...um 4:30 Uhr....erst aus der Ferne...dann näher kommend, dann direkt hinter Zottl, dann sich entfernend. Doch überlegt es sich die Töle und kommt zurück. Dies der Moment, wo ich kurz davor bin, aufzustehen, vor die Tür zu treten und ihm mal gehörig die Meinung zu sagen. Und zwar auf meine Weise!

Doch er hat Glück und läuft doch weiter und weg von Zottl. All das natürlich bellend, die ganze Zeit. Ich natürlich wach...bis ich wieder einschlafe, dauerts eine gefühlte Ewigkeit. 

 

Einige Stunden später.

 

Gestern Abend bei Dunkelheit hier gestrandet, ohne Plan wie es weiter gehen soll. Verfahren im Hohen Atlas. Und heute Morgen?

Blick raus, ein paar Wolken aber auch blaue Stellen. Wird sonnig, kühl ist es, wir sind auf 2.200 m. Das ein oder andere Fahrzeug fuhr unsere Piste heute morgen schon entlang, doch behelligt hat uns niemand. 

 

Neben Autos kommen auch Eselreiter vorbei, Leute auf Mopeds, Fußgänger. In den Bergen ist immer noch irgendwo jemand. Vollständig alleine geht schier nicht. Aber egal. Aufstehen, Blog schreiben. Vor die Tür. Berge mit ein paar Bäumen, meine Schotterpiste, ein Hund. Der zieht Leine als er mich sieht. Das war bestimmt jener von heute Nacht. 

 

Frisch draußen, zurück in den warmen Zottl und Lage checken. Wie weiter? Wo lang? Schotterpiste weiter? Zurück? 

Piste weiter macht keinen Sinn, die führt im Bogen zurück gen Süden. Falsche Richtung. Wir müssen in den Norden. Also zurück. Heute morgen hab ich kurz Netz, kann Google checke, finde die Position wo ich falsch fuhr. Gut. Plan steht. Zurück und Google folgen. Aber wie konnte ich gestern Nacht so blind sein, den Abzweig zu übersehen?

 

Egal, nächstes Problem: Ich suche mein Fährticket für die Rückfahrt und finde es nicht! Das ist Mist. Alle Stellen, wo es sein könnte, abgesucht. Nicht auffindbar. Gibts doch nicht! Das muss hier irgendwo sein? Und...ich meinte, auch noch einen Geldumschlag versteckt gehabt zu haben in Zottl...doch dort, wo ich denke, dass er sein müsste, ist er nicht. Alter...was ist los?!! CO-PILOT??? WEISST DU WAS??? HAST DU DAS ZEUG NEU VERSTECKT?

Keine Antwort....war ja klar...hab ihn mit meinem Gerufe geweckt...jetzt ist er grummelig. Friedrich, natürlich alles mitbekommen, bekommt große Glasaugen! Die wollen sagen: WAS TICKET WEG?! GIBT KEIN BUDGET FÜR EIN NEUES! WIR BLEIBEN HIER. OHNEHIN GÜNSTIGER HIER ALS IN EUROPA.

Hm...ja, mit letzterem hat er Recht.

 

Da ich nix von allem finde: Abfahrt!

 

ANMERKUNG!

ACHTUNG, im nächsten Abschnitt wird ziemlich geschimpft und geflucht! Zartbeseitete lesen besser mit Vorsicht!

 

Die Rumpelpiste zurück, durch den Lehmabschnitt und zum Standort, wo ich gestern falsch fuhr.

Google Maps: Hier rechts!

Kai: ALTER, GOOGLE, DU HAST WOHL EINEN AN DER KLATSCHE! DA LANG!!????

Google Maps: HIER RECHTS

KAI: FUCK HIER RECHTS! DAS IST EIN FUCKING FELDWEG DER UNTERSTEN KATEGORIE! 

Google Maps: R E C H T S!

KAI: Du kennst die Piste, die wir gerade gefahren sind nicht, aber diesen verkackten scheiss Feldweg kennst du und schlägst ihn als Fahrstrecke vor! WILLST DU MICH VERARSCHEN!!!???

Google Maps: HIER RECHTS! JETZT! DU PENNER!!!

 

 

Ich bin kurz davor, durchzudrehen. Man stelle sich vor, ich fahre hier gestern stundenlang durch die Pampa mit einem Ziel. Folge Google Maps. Vertraue drauf. Und jetzt steh ich hier, mitten im hohen Atlas, auf 2.200 m und die Route löst ich in einen gottverdammten, unfahrbaren Feldweg auf! 

Ich bin so sauer, dass ich auf Apple Karte umstelle. Doch da kommt der gleiche Bullshit raus. Das merke ich, als ich erste meine, dass Apple mir ne andere Route angibt, doch dann auch beständig darauf hinweist: Fahr diesen scheiss Feldweg! ALTER, Google, Apple, zur Hölle mit euch! Mögt ihr dort schmoren für den Rest eures verdammten digitalen Lebens!

 

 





Co-Pilot und Friedrich werden ganz ruhig während meiner Fluchtiraden. Wagen es kaum noch zu watten. Glaub, so haben sie mich noch nicht erlebt.

Aber keine Sorge, im Video sind diese Tiraden nicht. Das wäre nicht vertretbar. Es zu schreiben ist schon abgeschwächt und grenzwertig. 

Aber Leute, ich bin einfach tierisch angepisst. Und das muss raus. Hilft nix. 

 

Schlussendlich suche ich mir selbst eine Route und folge ihr. Fahre ein Stück den Berg hoch, dort teilt sich die Straße in hoch (von dort kamen wir) und runter...ich wähle runter und als Ziel Tasguint. Die Stecke führt mich ewig bergab, durch viele Dörfer und am Ende noch etwas Schlucht. Es wird grüner, die Bäume größer, viele im Bau befindliche Gebäude erspähe ich. Geht wohl aufwärts hier. 

Ich glaube es ist Tasguint wo mich Google und Apple dann nochmal verarschen. Zeigen mir eine Verbindung zur R203/N7 an. Doch gibt es die nicht. Alles was ich sehe ist eine Art angedeuteter Feldweg auf dem schon lange nix mehr gefahren ist. Scheisse!

Ein ohnehin langer Fahrtag wird so immer länger. 

 

Ich wähle eine Route die mich die P1735 runter auf die N10 bringt, nach Sidi Ouaaziz. Das klappt immerhin. Dauet aber ne Stunde für 30 km. Die Stecke kurvig wie sau, immer wieder Bachdurchfahrten in Schrittgeschwindigkeit. Kein Wasser aber getrockneter Lehm und Steine. Es zieht sich ewig. Zwischendurch esse ich noch n Happen an einem Funkmast mit schönem Blick und gutem Netz. Schnell noch ein Video hochladen. Dann weiter... Bereits bald 16 Uhr als ich die N10 erreiche. Um 12 Uhr fuhr ich am Schlafplatz ab. 

 

Die nächsten 8 km geht es einfach mal geradeaus. Mit 90 kmh krache ich über die Landstraße. Mal keine Kurven. Herrlich. Dann rechts vor der Polizeikontrolle auf die N7/R203 und Kompass auf Nord. Wir beschleunigen auf 100 kmh. Kurz bevor der Anstieg zum 2100 m hohen Tizi n'Test kommt, überhole ich noch schnell einen LKW mit Auflieger und jage dann den Pass hoch.

 

Auf wellig, kurviger Strecke mit rauem Asphalt. Eine Kurve jagt die andere. Brücken, Tunnel...kennen sie hier nicht. Nirgends. Gibts hier einfach nicht. Jeder Berg wird ausgefahren, jede Kurve mitgenommen. Zum Glück ist wenig los. Ich jage mit dem Team hier wie im Formel 1 Kurvenmodus die Strecke hoch. Cool! Der Blick wird dabei immer besser, wir schrauben uns von 600 m Höhe immer weiter gen Himmel. Bis plötzlich....Alter....was ist das denn jetzt? Die Gute Piste endet....und wird....einspurig, eng, übler Fahrbahnbelag, teils kein Asphalt mehr. Die Geschwindigkeit fällt auf 20 kmh. Rechts der Abhang, links der Berg. Dazwischen 3 m breite Straße mit Ausweichbuchten. Und so geht es über zig Kilometer weiter. Die Straße windet sich den Berg entlang, einige male muss ich Gegenverkehr durchlassen, stehe nah am Abgrund. Überall Geröll und lose Steine. Der Berg bröckelt vor sich hin. So wie überall in Marokko. Alles loses Gestein. Ein Regen und das ganze Zeug landet auf der Straße. Dennoch, die Strecke ziemlich großartig, die Sicht gen Süden der absolute Hammer. Das Team genießt die Fahrt. Naja, Friedrich ist etwas missmutig. Es geht dauernd bergauf, das ergibt natürlich erhöhten Dieselverbrauch...

 

Wir kämpfen uns weiter hoch, irgendwann wird immerhin der Fahrbahnbelag wieder besser und neuer. Und um 17 Uhr, nach 3.456.978 Kurven, sind wir oben auf dem Pass. Kaum Parkmöglichkeiten. Ich stelle Zottl an den Abgrund an die Straße. 

 

Blick nach Süden sehr cool, ein Gefühl, als könne ich bis in die Westsahra und zum Atlantik schauen. Wetter leider immer wolkiger, Sicht in die Ferne nicht klar. Einen Stellplatz gibt hier oben noch, dazu muss man 50 m bergauf über Dirt Road und steht dann neben einem Funkmast. Nicht soooo grandios. 

 

Da ich etwas geschafft bin, gönne ich mir im Passcafe noch einen Pfefferminztee und Kekse. Das tut gut. Parallel kurz ne Insta Story bauen und einen Post bei Instagram erstellen. Gezahlt wird alles mit Schweizer Franken. Kennt der nette und englischsprachige Wirt zwar nicht, wir schauen aber noch nach dem Wechselkurs und dann passt es für ihn. 

 

Wir ziehen weiter, auf guter, einspuriger Straße runter ins Tal. Was für ein Pass...deutlich interessanter als der Tizi n'Tichka. Und wir sind noch unten. Es soll noch übel kommen...

 

               

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Auf P4N finde ich einen Platz an einer alten Moschee auf dem man nächtigen kann. 20 km noch...easy. Denn bis zum eigentlichen Ziel, Oukaimeden, sind es noch über 3 h zu fahren, 120 km. 

Doch als ich auf guter Strecke auf Höhe der Moschee eintreffe, sehe ich weder ne Moschee noch ne Zufahrt. Na, das passt ja zum Tag. Ach leck mich doch am Arsch, fahr ich halt weiter. 

 

Und so folgen wir dem Tal, langsam wird es dunkel. Ich zünde ORC und OSRAM...zack wieder hell. Blöd nur, wenn was entgegen kommt...dunkel. 

 

Eine Horde wildgewordener Spanier kommt mir noch entgegen, fette SUVs und fahren wie die Arschlöcher. Kanns nicht anders sagen. Mitten auf der Straße, ich muss fast ne Vollbremsung machen um nicht mit ihnen zu kollidieren.

Müssten die nicht anders fahren, nämlich gen Norden, NACH HAUSE! Schließlich wurden sie gestern von Marokko aus der WM gekickt! 

 

Wir fahren immer weiter und irgendwann verlässt uns der gute Fahrbahnbelag und über Kilometer genießen wir übelste Rumpelpiste. Übelste Strecke die ich bisher in Marokko gefahren bin. Und wer denkt, das ist schlimm: Baustelle! Straße wird über Kilometer verbreitert. Staub, unklare Streckenführung, Dirt Road, Schrittgeschwindigkeit. Wir kommen kaum noch vorwärts. Eine Qual. Echt heftig. 

 

Irgendwann gegen 20:30 Uhr erreichen wir Asni. Erste größere Stadt. Diesel um die 1,50 Euro, der Tankwart will erst nicht so richtig Euro akzeptieren, will den Schein erst sehen bevor er Diesel einfüllt, befühlt ihn, scheint ihn zu prüfen... ALTER, glaubst du ich druck hier Falschgeld in Zottl??! 

Dann bekommen wir Diesel und können weiter. Und durch Zufall sehe ich links eine Bank. YES! 

5 Minuten später sind wir wieder flüssig. 2.000 DH an Bord. Juhu! Das Team jubelt. Wir sind wieder "reich", meint der Co-Pilot! Weiter!

 

Wer denkt, das wars, irrt. Wir folgen der Beschilderung und Google in Richtung Oukaimeden. Eine weitere üble Piste die uns ewig viel Zeit kostet. Bergig, kurvig, enge Dorfdurchfahrt gleich am Anfang, Steigungen mit bis zu 20%. Geröll, Lehm auf der Piste. Immer wieder Schritttempo. Unfassbar. Kein Verkehr mehr. Immer am Hang entlang. Das uns noch kein Stein auf den Kopf gefallen ist, ist echt ein Wunder. 

 

Nach einer Kreuzung mit ner anderen Piste wandelt sich das Bild. Plötzlich Wald und Blick links runter auf Marrakesch, das dort beleuchtet in der Ferne vor sich hin glimmt. Irgendwann stoppe ich kurz. Mir ist da noch was eingefallen. Mein Urinbehälter der BioToi ist bald voll. Der Inhalt fliegt in den Wald, soll morgen regnen, vermischt sich dann schön. Gut gedünkt der Wald somit. Weiter!

 



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Der Wald verlässt uns wieder, es geht am Hang entlang steil bergab, wir kommen von der P2028 auf die P2030. Und wieder geht es berghoch, durch Dörfer, in vielen Kurven, rumpelige Strecke. Erst im oberen Bereich, als es das Tal hinter geht, wird der Belag besser. Aber auch die Felsen bedrohlicher. Alter Schwede...was ne Fahrerei heute. Krass!

 

Es ist 22 Uhr als wir endlich in Oukaimeden einrollen. Tote Hose, Parkplatzschilder mit Preisen sehe ich...mir egal...fahre weiter bis zum ersten Parkplatz der Skistation, großer Schotterparkplatz, ich stelle mich ganz hinten ins Eck. Angekommen. Motor aus, Licht aus...ich bin durch für heute. 240 km in 10 Stunden mit so 1 h Pause. Unglaublich. Aber tolle Strecken. Und die Nachtfahrt auch nur überstanden dank gutem Licht vorne raus. Mit den Citroen Standardkerzen hätte ich wohl irgendwann aufgegeben.

 

Um uns rum Ruhe und....Regentropfen. Ich schließe einen Moment die Augen. Auch rechts neben mir herrscht Ruhe. Kurz durchschnaufen bevor es irgendwie weitergeht. Der Regen wird stärker. So wird es morgen und übermorgen wohl weiter gehen. Dazu heftiger Wind. Klar ist auch, wir bleiben hier mindestens zwei Nächte. 

 

Als ich den Höhenmesser checke, bin ich kurz ziemlich erstaunt: über 2.600 m hoch. Wow! So viel hatte ich nicht erwartet. Also immer schön langsam bewegen. Die Luft ist dünn. 

 

So bewege ich mich in Zeitlupe nach hinten, setze mich auf die Dinette Bank und überlege was ich essen könnte. Machen wir es marokkanisch. Drei Spiegeleier in der Pfanne und mit Tortilla direkt aus der Pfanne essen. Dabei wird das Brot zur Hilfe genommen, um jeweils was vom Ei abzumachen, dann mit dem Brot dieses Stück greifen und ab in den Mund damit. Besteck? Überflüssig. Wird mit der Hand gegessen. Weniger abzuwaschen!

 

Nach dem Essen noch etwas am Handy, zum Schneiden zu platt. Um Mitternacht geht es für uns bei starkem Regen ins Bett. Feierabend. Morgen ist ein neuer Tag. Mal schauen ob wir vor die Tür kommen oder wie übel das Wetter ist. 

 

Gute Nacht aus dem höchsten Skigebiet Marokkos. 

 

Viele Grüsse


Kai und Team

 

 

 

 

GPS Koordinaten:
morgens: 30.924577, -8.048277

Tizi n'Test: 30.868219, -8.378966

abends: 31.200714, -7.859140

 

 

 

Unsere heutige Route: 240 km

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Haui (Dienstag, 31 Januar 2023 11:45)

    Alter...das war ja mal ein Tag. :-)