Hallo zusammen,
Freitag späterer Nachmittag. Das Wochenende ruft, ich folge. Aber wohin diesmal? Wir müssen über den großen Berg, ins Tessin, nach Italien, kurz wieder durch die Schweiz und enden in Italien. Hoffentlich!
Ich habe eine Verabredung mit Markus aus Frankfurt. Er ist eigentlich mit dem Mietcamper unterwegs in der Schweiz, befindet sich gerade aber leicht außerhalb eben dieser, in Italien. Für mich bedeutet das, raus aus dem Büro, nach Hause und ab über den Gotthard. So der Plan.
Doch als ich vom Bergwerk nach Hause gondel, fällt mir ein: Mist, die Axenstrasse von Brunnen nach Flüelen ist noch immer wegen Felssturz gesperrt. An sich könnte ich locker über Luzern fahren, doch da ist Baustelle und riesen Stau. So ein Dreck, daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Gibt es eine Alternative? Ich überlege auf der Heimfahrt hin und her. Gen Chur, über den San Bernadino vielleicht? Ziemlicher Umweg. Und sonst? Hm…
Nach 10 Minuten denken kommt die Lösung: wir nehmen das Boot. Die Fähre von Gersau nach Beckenried über den Vierwaldstädtersee könnte unsere Rettung sein. Doch jene um 18:30 Uhr werden wir nicht erreichen. Die letzte fährt um 19:30 Uhr. So kann ich vorher noch einkaufen…gut. der Plan steht.
Zu Hause fahre ich mit einem gepackten Zottl um 18:40 Uhr los. Schnell noch zum Aldi (ja, Aldi, nicht Lidl) und weiter nach Gersau. Vor Ort ist die Warteschlange schon riesig. Na hoffentlich passen wir noch mit drauf. Immerhin schickt uns der Warteschlangeneinweiser nicht weg. Das lässt hoffen.
Bei sehr grauem, kühlem und nieseligem Wetter warte ich also. Vertriebe mir die Zeit mit ein paar Filmaufnahmen und warte, warte, warte.
Die Fähre kommt immerhin pünktlich an, und wir passen mit drauf. Bis auf 3 freie Plätze ist die Fähre voll. Vermute, die profitieren ziemlich von der gesperrten Strecke am See entlang.
28 CHF darf ich für die 15-20 Minuten Bootsfahrt zahlen. Nicht billig, aber immerhin umgehe ich so Stau. Und es macht ja auch Spaß!
In Beckenried fühle ich mich wie in Schottland, wir fahren links von der Fähre und als ich auf die Hauptstraße nach rechts abbiege, fahre ich beinahe auf die falsche Straßenseite. Zum Glück kommt erst noch ein Auto von links, das „richtig“ fährt.
Nix wie auf die Autobahn, kurzer Stau am Gotthard, durch, und auf dem zweiten oder dritten Rastplatz ein Stopp um Wasser zu bunkern. Nach 21 Uhr mittlerweile. Ich spute mich und bin schnell wieder auf der Bahn. Co-Pilot und Friedrich, ausgeruht von einer entspannten Woche, sitzen munter neben mir und genießen. Immerhin ist auf der Südseite das Wetter besser. Zwar Stockdunkel doch ein gutes Stück wärmer als im Norden und trocken.
Über den Lago di Lugano fahren wir schon nicht mehr auf der Autobahn sondern auf der Landstraße, folgen noch etwas dem Ufer gen Italien bevor es links durch eine Autobahnunterführung geht und dann bergauf. Markus hatte mich schon gewarnt, die Anfahrt auf über 1000 Meter, hoch über dem Lago di Lugano, ist nicht ohne. Sehr kurvig, sehr eng teils, zurücksetzen setzen notwendig in Haarnadelkurve.
Bis Aragno ist dem Co-Pilot schon fast schwindelig. Im Dorf müssen wir links abbiegen, die erste üble Engstelle. Nix für TI’s! Maximal Kastenbreite geht hier durch.
Dazu kommt mir kurz vor der Engstelle noch ein Zuger SUV entgegen. Der muss zurück setzen, ich bin größer und habe Vorfahrt. Macht er auch brav. Aber es ist sau eng. Die Sicht schlecht, stockdunkel natürlich um 22 Uhr. Der Co-Pilot hält die Luft an und zieht den Bauch ein. Friedrich schaut erschrocken und stellt auch das Atmen ein. Nur Zottl atmet zum Glück weiter und ich manövriere uns durch die Engstell ohne Fremdkontakt. Kaum sind wir durch, ringen alle wieder heftig nach Luft und wir zottln weiter. Das war eng!
Auf zur nächsten Challenge. Die lässt nicht lange auf sich warten.
Wenig später geht es in engen Serpentinen in extrem kurzer Abfolge den Berg hoch. Bin ja schon viel gefahren, aber das hab ich auch noch nicht erlebt. 3 oder viermal muss ich zurücksetzen in der Kurve weils nicht reicht. Liegt aber auch mit daran, dass ich durchs filmen abgelenkt bin und die Kurven nicht sauber anfahren kann. Nur gut ist außer uns hier kaum noch jemand unterwegs.
Aus den Serpentinen raus geht es jeweils gleich wieder steil weiter, zweimal wird eins der Vorderräder so entlastet, dass es kurz durchdreht. Zottl am Limit?!
Die nächste Herausforderung: Steigung 18%! Man geht das den Berg hoch. Zottl nur noch im 1. Gang fahrbar. Wir tuckern den Berg hoch. Natürlich sind auch noch Kurven dabei. So langsam frage ich mich, ob das so ne gute Idee ist, was wir hier treiben. Aber Markus hats ja auch geschafft. Auch mit 6,4 m Länge.
Puh…ganz schon heftig hier hoch. Kurz darauf überqueren wir die Grenze, hallo Italien. Fahren einige gemächliche Kurven und erreichen Lanzo d’Intelvi. Hier im Dorf sind wir kurz verwirrt, Google Maps sieht irgendwie komisch aus, müssen wir hier nun rechts oder geradeaus dieses sehr schmale, steile Sträßchen hoch. Hm…wir wissen es nicht. Schauen uns ratlos ein. Da fällt mir ein, dass Markus was von verwirrender Abzweigung geschrieben hatte, gesperrt für schwere Fahrzeuge…ja…genau…da ist ein Verbotsschild. Wir liegen unter dem Limit, also geht es wohl dort lang, geradeaus.
Über eine Kraterpiste bergauf, dann links und durchs Dorf. Eng! Anschließen in den Wald, ordentlich befahrbare Straße, aber gewunden und bergauf. Es zieht sich ewig durch den Wald. Doch irgendwann sind wir oben. Sehen Markus‘ Karman Kasten dort stehen und parken uns mit Lücke daneben. Außer ihm und uns: niemand sonst hier! Wow! Und ein Blick vorne raus, der einem den Atem stocken lässt. Wir schauen gen Schweiz und Italien. Auf den Lago di Lugano, bis Varese und ist das helle dahinten Mailand…keine Ahnung…aber leck was für eine Aussicht!
Nach kurzer Begrüßung mit Markus, wir kennen uns schon über ein Jahr, hatten uns schon mal in Frankfurt getroffen und auch schon mal in der Schweiz, laufen wir noch ein Stück weiter den Berg hoch und genießen die nächtliche Aussicht auf Locarno. Wow!! Gigantisch von hier oben. Ein 270° Blick in die Dunkelheit mit ihren Lichtern und sich bewegenden Autoscheinwerfern. Wir stehen hier direkt an der Grenze zur Schweiz. Keine 10 Meter von uns, ein Stück den Berg runter, hängt die Schweizer Fahne.
Wir laufen zurück zu den Kästen. Markus steht linksseitig auf Keilen, es gibt kaum einen geraden Parkplatz hier, Zottl hat halt leichte Schlagseite nach links. Egal! Auch wenn Friedrich gefühlt etwas neidisch auf Markus‘ Keile schielt…oder ist es verächtliches Schielen…bei ihm weiß ich das nie so genau. Wir haben keine Keile und schlafen schräg. Das passt zu uns.
Durch seinen Gaskühlschrank (Absorber) muss Markus jedoch Keile unterlegen, sonst geht die Flamme aus. Wir lassen ihm das mal durch gehen.
Eigentlich wäre jetzt Zeit für Abendessen. Markus hat jedoch sein Dosenfutter schon auf. Und ich bin zu kaputt um noch zu kochen. Lassen wir das Abendessen ausfallen. Trinken noch etwas, unterhalten uns bis 1 Uhr und dann geht’s ab ins Bett.
Einige Autos fuhren noch hoch und runter während wir so im Kasten saßen, aber ansonsten schön ruhig hier oben. Dürfte eine entspannte Nacht werden. Und morgen schauen wir uns das Ganze bei Tageslicht an!
Gute Nacht und bis dann.
Viele Grüsse
Kai
GPS:
Schlafplatz Italien, Lago di Lugano: 45.967717, 8.994126
Kommentar schreiben