Montag, 14.03.2022, Kokelv - Havøysund
Guten Morgen,
Das einzig Gute an diesem Morgen um 9:30 Uhr ist. Das es 9:30 Uhr ist. Ich hab mal länger als 6 Uhr geschlafen. Gut, lag aber auch erst um 02:30 Uhr im Bett.
Ach, doch, noch was Gutes: die Sonne scheint durch einen etwas milchigen Himmel und wir sind frostfrei unterwegs.
Die Stimmung im Team aber gedrückt. Die teilweise Zerstörung meiner Canon EOS R6 ist noch sehr präsent und die Frage: wie weiter? Ebenfalls.
Wo kann ich die hier oben reparieren lassen? Wenn überhaupt. Vermutlich wird es hier gar nicht machbar sein. Wäre es so, müsste sie eingeschickt werden. Und sowas
dauert ja bekanntlich immer ziemlich lange. Da geht es nicht um Tage sondern Wochen.
Das geht nicht. So lange sind wir nicht an einem Ort. Aber was dann?
Fragen über Fragen, viele Überlegungen. Keine Lösung.
Fakt ist, wir fahren weiter nach Havøysund. Umdrehen und nun nach Hammerfest oder Tromsö jagen, macht auch keinen Sinn. Ich muss mich halt irgendwie über die Runden mogeln mit dem was ich sonst noch so dabei habe.
Dieser Morgen ist erstmal wieder geprägt von Daten sichern, Blog schreiben und nicht von Frühstück. Denn zu Essen ist nichts mehr im Haus fürs Frühstück. Cornflakes alle, Brot weg, nix zu beissen also. Wir müssen dringend einkaufen.
Gegen Mittag fährt ein VW Passat mit norwegischem Kennzeichen auf unseren Eisberg Parkplatz und stoppt. Ein Mann steigt aus, läuft rum, schaut, steigt wieder ein. Setzt auf unsere Höhe zurück. Steigt wieder aus…schaut zu uns…winkt.
Huch…man kennt uns hier? Hier am Ende der Welt in Kokelv. Ja, was soll ich sagen. Man kennt uns hier tatsächlich! Der Besucher hat schon einige Videos gesehen von uns, ist selber Camper und hat uns nun hier stehen sehen. Verrückte Welt! Mit sowas hätte ich ja nun nicht gerechnet. Das mich der ein oder andere deutschsprachige Camper kennt, okay, das kann ich nachvollziehen. Aber hier, weit weg von allen, erkannt zu werden, ist schon faszinierend. Die Reichweite von YouTube ist schon der Hammer.
Wir unterhalten uns eine Viertelstunde. Dabei erfahre ich auch, das es viel, viel zu warm ist für diese Jahreszeit. Eigentlich sollten jetzt -10 bis -15°C herrschen und 1,5 m Schnee liegen.
Tatsächlich haben wir heute 4 Grad plus und dem Schnee kann man beim Schmelzen zuschauen.
So langsam bekomme ich auch das Gefühl, dass ich meinen Followern und Zuschauern ein völlig falsches Bild eines norwegischen Winters zeige.
Nachdem der Besucher gegangen ist, bereite ich auch unsere Abfahrt vor. Aufräumen und Co-Pilot und Friedrich schnappen. Die sind etwas unwillig heute.
Friedrich ist noch sauer, weil ich die Canon geschrotet habe. Der Co-Pilot ist verstimmt, weil Friedrich sauer ist.
Ich selbst bin einfach nur deprimiert…
Vielleicht bringt uns die Fahrt nach Havøysund ja auf andere Gedanken.
Von unserer Eisplatte kommen wir gut runter. Durch das Tauwetter, wird das Eis griffiger und zudem schaut hier und da schon der Boden raus. Ohne Probleme bekomme ich Zottl vom Eis.
Was dann folgt ist eine ziemlich coole Fahrt. Erst am Meer entlang, kurvig, felsig, und viele Pfützen. Später eine Passstraße hoch, kurz durchs Hochland wo noch richtig viel Schnee liegt. Die Straße hier auch teils wieder eisig.
Ordentlich steil geht es den Berg hoch, bei schlechtem Wetter eine Konvoi Strecke. Heute aber gut zu fahren.
Das Wetter schwächelt etwas, vermehrt Wolken am Himmel. Wir kommen gut voran, 66 km sind es total nur zu fahren.
Die Strecke bekommt von uns eine Empfehlung! Abwechslungsreich und immer wieder wechselnde Aussichten auf Meer, Berge und Felsen. Echt cool! Wir genießen die Fahrt.
Nach dem ersten Pass folgt noch ein zweiter Pass und als wir den hinter uns haben und irgendwann um eine Linkskurve biegen, liegt hier, am gefühlten Arsch der Welt, eine Stadt mit knapp 1.000
Einwohnern vor uns. Wow! Das haut mal kurz rein. Denn damit hätte ich nicht gerechnet. Also klar, ich wusste hier ist noch was, aber so viel? Das kommt überraschend.
Havøysund liegt auf einer Insel, wir kommen somit vom Festland und können von dort einen schönen Blick auf die Stadt werfen. Zufällig kommt ein Parkplatz. Kurzer Stop. Fotos und
filmen.
Die Stadt liegt am Wasser, Fischfabrik, Hafen, Kirche, kleine Werft, viele Einfamilienhäuser am Hang, farbig. Sieht süss aus. Auf Anhieb gemütlich und einladend.
Über die höchste und nördlichste Brücke ihrer Art befahren wir die Insel und stolpern sogleich über einen Einkaufsladen. Sehr gut, etwas komisch fahre ich ihn an, aber was solls. Parken.
Einkaufen!
Jungs, braucht ihr was? Was für eine Frage…Milch, Schoggi, Eisbär-Bier…aha…also alles wie immer.
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Ne halbe Stunde später bin ich zurück, vollbepackt. Stehe vor Zottl und will rein, aber glaubt ihr, es macht mal jemand auf? Nein!
Ich muss mit zwei Händen, obwohl ich gerade echt drei gebrauchen könnte, nach meinem Schlüssel in der Hosentasche suchen, natürlich wie immer in der falschen Hosentasche. Dass mir mein ganze
Einkauf dabei nicht noch auf den matschig-wässrigen Boden fällt, ist reine Glücksache. Was für ein Tauwetter!
In Zottl wird alles verräumt, ohne zu merken, dass ich das wichtigste vergessen habe zu kaufen…tja…! Ärger vorprogrammiert.
Im Anschluss schnappe ich mir mein iPhone 13, von dem ich noch immer nicht wirklich überzeugt bin. Die Kombination mit Mac Book ist zwar cool, Datenübertragung in beide Richtung per Airdrop ein Traum. Aber mal ehrlich, das Touch Display ist nicht auf der Höhe der Zeit. Bei dem Preis dieses Handys hätte ich deutlich mehr Sensitivität erwartet. Auch friert die Kamera gerne mal ein, Apps laufen nicht korrekt oder starten nicht. Überzeugt mich alles nicht. Jedes meiner bisherigen Android Handy hatte ein besseres Touch Display als jenes vom iPhone 13 und lief auch stabiler.
Dennoch hab ich es und muss es nun auch nutzen, also checke ich die Insel nach Schlafplatzmöglichkeiten. Viele gibt es nicht. Hoch zum Windpark kommen wir nicht, die Straße noch zu verschneit.
Also in die andere Richtung, gen Ostende. Da konnte ich einen Platz ausmachen, der evtl. erreichbar ist.
So dümpeln wir also durch die Stadt, sehen leere Geschäfte, Häuser die nicht mehr so ganz in Schuss sind, einen Frisör und den Hafen. Hier soll es V&E irgendwo geben. Ich drehe eine Runde über den Hafenparkplatz, sehe aber nix auf Anhiebt. Vermutlich übersehe ich es. Ist für mich aber auch egal. Ich muss weder Ver- noch Entsorgen. Also weiter.
Vorbei an einer Fischfabrik, um die Kurve und schon sind wir in der Hallvika Bucht und dort links geht auch schon der Weg ab…ups..aber sau steil. Der vor mir fahrende Radlader fährt dort hoch.
Irgendwas sagt mir: besser die Sache erst zu Fuß erkunden und nicht gleich blind hoch fahren. Friedrich findet das auch, dem Co-Pilot ist es einerlei, er würde eh nicht helfen wenns Probleme gäbe.
So parke ich Zottl in der Bucht, schnappe meine DJI Osmo Action und laufe los. Erstmal den steilen Berg hoch. 150 m heftiger Anstieg auf Asphalt aber mit sehr viel Splitt drauf. Man sieht den Asphalt vor lauter Split nicht mehr.
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Oben wird es 100 m flacher bevor…ja…der eventuelle Showstopper kommt. Eine leicht ansteigende Passage, vielleicht 150 m. Mit Schnee und Eis aber mit Fahrspuren. Hier sind also schon Fahrzeuge hoch gefahren. Mit Schwung…hm…könnte gehen… Im schlimmsten Fall muss ich rückwärts wieder runter. Nach links oder recht abrutschen ist unmöglich.
Oben macht die Straße einen Linksknick, flacht ab, wird etwas weicher mit gefrorenen Wasserpfützen. Das dürfte kein Problem darstellen. Und am Ende dieser 200 m Strecke? Links eine Parkbucht für genau einen Van und rechts 30 m weiter eine völlig vereiste Wendeplatte mit Schuttbergen am Rand.
Gut, die Parkbucht könnte unsere sein, wenn wir denn hier hoch wollen/kommen.
Der Blick von hier der Hammer, auf Meer, gegenüberliegende Insel und raus aufs Meer. Wow…wäre schon geil. Mit Allradantrieb das alles kein Problem, mit Frontantrieb, könnte es ein Problem geben…hm..
Ich laufe zurück, schaue mir nochmal die Schnee und Eispassage an und fasse innerlich einen Entschluss.
Zurück bei Zottl, briefe ich das Team über die Situation der Anfahrt. Große Augen schauen mich an. Ist das nun Unverständnis, Vorfreude, Skepsis oder Verachtung? Keine Ahnung…aber auch wurscht. Ich Fahrer, ich sage wo es lang geht…und ich bin auch derjenige, der uns wieder ausgräbt wenn wir hängen bleiben.
Motor an, drehen und ab den ersten Anstieg hoch. Erster Gang, hohe Drehzahl…läuft.
Als nächstes durch die Schnee und Eis Passage. Ich entscheide, im ersten Gang zu bleiben. Zweiter Gang wäre zu untertourig und bei höherer Drehzahl zu schnell für die Strecke. Will mir Zottl ja nicht kaputt fahren.
Somit, 1. Gang, knappe 30 km/h, der Motor dreht hoch und wir pflügen durch die arktische Passage. Problemlos. Die Winterreifen greifen, weder rutschen wir noch dreht was durch. Wir pflügen einfach durch. Ja geil!
Neben mir hüpfen die beiden Mitreisenden auf ihrem Sitz…oder sind das die Unebenheiten der Strecke die sie in Wallung bringen. Keine Ahnung!
Jetzt noch links ums Eck auf etwas durchweichtem Schotter-Erde Mix, die Räder suchen kurz etwas Grip, finden ihn und schon sind wir oben. Jetzt noch die Gerade über die Eispfützen, hier drehen
die Räder mal kurz durch, aber egal. Eben, genug Schwung. Wir haben es geschafft!
Ein paar Sekunden später erreiche ich die kleine Parkbucht. Rückwärts rein. Zufällig liegen da zwei große flache Steine, die ich als Keile verwenden kann. Somit stehen wir leicht bergab. Perfekt!
Der Adrenalin Stoß nach so einer Anfahrt ist immer wieder das schönste. Das Ungewisse bezwungen zu haben. Die Grenzen mal wieder getestet und sie nicht überschritten. Einfach ein geiles Gefühl.
Jetzt erstmal n Happen essen. Die Reste von gestern und vorgestern. Dazu gibt es Laptop auf den Tisch und schneiden. Ich bin übel hinterher mit den Videos der Tour.
Das Wetter weiterhin auf unserer Seite, Plusgrade, kaum Wind und um uns rum praktisch kein Schnee mehr.
Am Abend schaue ich immer mal wieder raus und checke den Himmel, doch tut sich heute nix da oben. Kein Grün, dabei wäre dies hier ein ziemlich cooler Spot für Polarlicht Videos oder Fotos. Naja, vielleicht nächste Nacht. Wir bleiben hier mindestens noch eine weitere Nacht. Bei der Anfahrt und dem coolen Spot, muss man etwas verschnaufen, durchatmen und arbeiten.
Gegen 1 Uhr liege ich hundemüde im Bett. Neben mir zwei geschaffte Mitreisende. Mir ist zwar nicht ganz klar, von was die beiden geschafft sind, aber sie tun so, als hätten sie heute 7 Stunden Video geschnitten.
Gute Nacht und bis morgen.
Kai und die Geschafften
Unsere Strecke heute: ca. 60 km nach Havøysund
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