Dienstag, 22.02.2022, Vestertana Naturreservat - 5 km vor Gamvik
Guten Morgen,
der Wecker ist auf 8 Uhr gestellt, wach bin ich um 06:30 Uhr und deaktiviere als erstes den Wecker. Nix nervigeres als ein Wecker der klingelt wenn schon alle wach sind. Wobei…alle? Die
Wattenasen schlafen ja noch.
Ich beschäftige mich kurz mit Social Media, stehe auf und sitze alsbald in der Dinette und tippe Blog. Im Anschluss wecke ich die Jungs, räume auf, und mache uns parat für die Fahrt nach Gamvik.
Die hat es in sich.
Gegen 9 Uhr starte ich den Motor und wir fahren ab. Neben mir zwei Bärennasen und eine Drohne. Mal schauen, ob wir uns heute mal wieder aus der Luft aufnehmen lassen können. Immerhin ist hier,
wie mir scheint, kaum Verkehr. Wir tuckern erstmal gut bergauf.
Und je höher wir kommen, desto schneller verändert sich die Landschaft. Nach dem ersten steilen Anstieg und einigen Kurven, öffnet sich ein Panorama vor uns, das tief verschneit und bergig ist. Die Straße windet sich lang geschwungen hindurch. Ein Anblick zum niederknien. Ich stoppe am ersten Parkplatz und mache Fotos. Lasse die Drohen in die Luft….und was dann kommt ist einfach nur gigantisch.
Auf Schnee und Eis, immer bergauf. Fahren, Drohne steuern und auf den Verkehr achten. Wobei letzterer nicht vorhanden ist. Immer wieder halte ich, richte die Drohne neu aus, immer am Berg, immer
mit der Befürchtung: komme ich hier wieder los?
Einige Male brauchen die Winterreifen einen kurzen Moment bis sie Grip finden, aber sie schaffen es immer, uns wieder in Gang zu bringen.
Ich glaube, dies ist mein längster Drohnen Flug ever. Einmal lande ich, Wechsel den Akku, und weiter. Die Landschaft ist einfach der Hammer. Berge, Schnee, Weiten, lange Kurven. Ein wenig
erinnert mich das Ganze hier an den Julier Pass in der Schweiz. Kein Baum, kein Leben, nur Hochebene, Berge, Schnee und eine vereiste Straße und ne Drohne in der Luft. Wir sind auf der 888
Richtung Ifyord. Muss man gefahren sein! Ist der absolute Hammer!
Und es wird noch genialer. Auf einer Passage, ansteigend einen Berg entlang, die Drohne ist mittlerweile wieder gelandet und in Zottl, sehe ich am Fuss des Hanges etwas dunkles,
umverschneites!
Unverschneit? Kann nicht sein! Hier ist alles mit Schnee bedeckt! Es hat gestern geschneit. Distanz vielleicht 100 m von mir oben an der Straße nach unten an den Hügelfuß.
Und irgendwie sieht das hm….ich mache eine Vollbremsung. Zottl schlingert, das ABS rattert, es geht berghoch, wir stehen schnell. Hinter mir ist zum Glück niemand. Ich hab da ne Vermutung…das sieht aus wie….ich schnappe mir meine griffbereit liegend Canon mit Zoom Objektiv und hechte aus Zottl. Kamera an, Automatikmodus und ranzoomen. Leck…das sind doch…ja…zwei Elche!? Oder doch nur Felsen?
Hm…als ich noch überlege, bewegt sich der eine Fels…ELCHE!!! F*+++!!! ELCHE!! Ich fass es nicht, halte mit der Kamera drauf, filme, fotografiere, renne zurück in Zottl, hol mein 600mm Ding der
Canon…zwei Elche spazieren vor meinem Auge durch die Schneelandschaft. Der Wahnsinn! Ich fass es nicht. Meine erste richtige Elchsichtung.
Später erfahre ich: Bei Elch Sichtung leise sein, die hören sau gut. Riechen können sie auch top. Motoren machen ihnen nicht so viel aus. Gerede schon! Leise sein, nicht sprechen!
Die zwei Elche, Mutter und Kind vermute ich, denn einer ist kleiner, trotten durch den Schnee die andere Bergseite hoch. Ich folge ihnen noch eine Weile mit der Kamera. Wow!
Da hier keine Autos fahren, kann ich beruhigt mitten auf der Straße stehen und blockiere niemanden.
Irgendwann reisse ich mich los, steige ein, fahre weiter!
Keine 15 Minuten später….Vollbremsung! Nach einer weiteren Fahrt über weisse Weiten, leck ist das geil, kommen wir wieder zum Stillstand. Was ist den heute los!!!???
Wieder unterhalb der Straße, 150 Meter weg….zwei…äh…nein, drei Elche!!! Ja leck! Liegen da im Schnee unter ein paar verkrüppelten Birken. Wir sind vom Hochplateau runter und im Abstieg nach
Ifyord.
Wieder kommen wir schlingernd zum Stehen, von rechts kommt Gejammer, Friedrich ist kurz vom Absturz…. „Schnall Dich an! Aber das willst du ja nicht“, rufe ich ihm zu, schnappe meine Canon an der noch das 600er befestigt ist und filme und fotografiere. Steige nicht aus.
Dennoch fühlen sich die drei Elche wohl gestört, stehen gemütlich auf und laufen zwischen den kleinen Birken davon. Elegant wie sie da so durch den Schnee stapfen. Das sähe beim Co-Pilot anders aus.
Nach dieser Aussage ist auch der Co-Pilot wattig, der noch damit zu tun hat, Friedrich zu retten und vor dem Absturz zu bewahren.
Was für ein Tag heute! Weiter geht die Fahrt!
In Ifyord tanken wir und treffen kurz darauf auf die Küste. Die Sonne brennt vom blauen Himmel, wir hätten es mit dem Wetter nicht besser treffen können. Genial! Und obwohl heute nur ein Fahrtag
ist, haben wir mehr erlebt als an so manch anderem Tag.
Bis Bekkarfjord folgen wir der Küste, dort stoppen wir auf einem Konvoi Sammelplatz und ich esse einen Happen. Frühstück! Das Meer liegt zum Greifen nah vor uns, tiefblau bei der Sonne. Das Licht eine permanente Morgen oder Abenddämmerung. Leicht orange. Das kann sich keiner vorstellen, das muss man gesehen haben.
Nach 45 Minuten Pause fahren wir an der offnen Schranke vorbei und weiter. Keine Konvoifahrt, wieder geht es bergan, herrlicher Blick auf die Bucht, dann verschwindet sie und wir werden wieder in eine andere Welt katapultiert. Dieser schnelle Kontrast, 150-200 Höhenmeter, ein Stück weg vom Meer und es schaut aus wie aufm Mond oder der Arktis. Weiss, Schnee und ein Asphaltband das sich durch schlängelt, wobei es eher ein Eisband ist. Straße aber in top Zustand, aber halt Eis als Untergrund, keine Schneewehen immerhin.
Sicher 20 km fahren wir hier durch arktische Gefilde! Bei Sonnenschein aber auch immer mal wieder bei Nebel der die Sicht deutlich verschlechtert und uns unser Tempo von 80 auf 60 reduzieren lässt. Dank Google Maps sehen wir gut, wie die Straße verläuft, keine scharfen Kurven voraus.
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Auf Höhe Hopseidet geht es wieder runter, nur um auf der anderen Seite wieder anzusteigen. Im Tal unten ein weiterer Konvoi Sammelplatz. Bei miesem Wetter muss diese Strecke ewig dauern und enorm anstrengend sein.
Auf halber Strecke nach Mehamn kommt mir ein Straßenaufrauher entgegen. Der kratz die oberste, festgefahrene Schneeschicht ab, so dass wieder rauerer Bodenbelag entsteht. Erst denke ich mir nix dabei, bremse, fahre langsam an ihm vorbei…doch dann sehe ich, was er macht:
Den ganzen abgetragenen Belag schiebt er mittig auf die Straße, zu einem Drittel aber auf meine Fahrspurt. Sicher 30 cm hoch. Eis und Schneeplatten, kein flauschiger Pulverschnee.
Mit Zottl muss ich nun ganz rechts, an den Straßenrand, wo die Schneemauer droht und weicher Untergrund um überhaupt noch fahren zu können. Zudem wird meine Straßenseite, je weiter ich fahre,
immer enger. Irgendwann hab ich zwischen dem angehäuften Schnee-Eis und der rechten Straßenseite keinen Platz mehr für Zottl. Die Reifen kämpfen mit der Traktion, rechts komme ich schon in den
tieferen Schnee, kann aber gerade noch korrigieren, fahre dann links in den langgezogenen Eishaufen rein…auch nicht gut.
Stehen bleiben kann ich nicht, es geht gut bergauf. Anfahren schaffe ich hier nicht. In meiner Not und mit letztem Schwung schaffe ich es durch den angehäuften Eis-Schnee in der Mitte und fahre
auf die Gegenspurt. Die ist schön breit und angeraut. Traktion ok und wir können wieder Schwung nehmen. Lass jetzt nur bitte niemanden von vorne kommen!
Aber, war ja klar, die ganze Zeit kommt keine Sau entgegen…aber JETZT. Ein PKW. Ich auf seiner Spur bergauf. Ich sehe ihn frühzeitig, fahre wieder zurück über den mittigen Eis und Schnee Scheiss
auf meine eigentliche Straßenseite und stehe. Wir stecken fest! Das Auto fährt vorbei, wir stehen! Anfahren? Keine Chance. Der linke Vorderreifen steht im Eis und Schnee Haufen der sich mittig
die Straße hoch zieht. Oh f***.
Gut, wenn vorwärts nicht geht, dann rückwärts! Zurück auf die Gegenspur komme ich, geht ja bergauf, rückwärts also bergab. Anfahren…..gaaaaanz langsam lasse ich die Kupplung kommen…die Reifen
greifen, wir rollen wieder auf der Gegenspur den Berg hoch. Ufff….
Aber, zu früh gefreut! Was ich nun sehe, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Co-Pilot wird so bleich, wie ich ihn noch nie erlebt habe! Friedrich schnallt sich an.
Von oben, mit einem Affenzahn, kommt der fette Schneepflug angeschossen. Wir sehen ihn schon 500 m bevor er uns treffen kann, ich reisse das Steuer von Zottl nach rechts, wir durchbrechen wieder
die Eis und Schnee Mauer in der Mitte und sind auf unserer Fahrspur. Ich schaffe es noch mit letztem Schwung, Zottl soweit aus dem Weg zu fahren, dass der Schneeflug hoffentlich vorbei kommt.
Sicher bin ich mir aber nicht. Seine Schaufel vorne sieht enorm breit aus.
So harren wir dort aus, bis der Schneepflug bei uns ist. Dabei sehe ich auch, was er macht, er pflügt mit viel Schwung die Eis- und Schneebarriere in der Mitte der Straße über die Leitplanke den
Abhang runter.
Als er bei uns ist erreicht er Schritttempo, fährt langsam an uns vorbei und stoppt nach ein paar Metern.
Ich versuche anzufahren. Keine Chance. Also, wieder rückwärts über die mich noch umgebende Schneebarriere, die konnte der Pflug nicht wegputzen. F***!
Drei Versuche brauche ich, bis wir frei sind und die Reifen endlich genug Traktion finden, um uns am Berg anfahren zu lassen. Neben mir wurde zwischenzeitlich das Watten komplett eingestellt, mir
ist von der rangierfrei auch etwas warm geworden. Der Schneepflug steht noch immer hinter uns und wartet. Er muss nun wohl auch rückwärts zurück und das verbleibende Zeug das noch um uns rum lag, über die Leitplanke befördern.
Ich glaube, nächstes Mal wenn ich so einen Straßenkratzer auf schmaler Strecke sehe, bleibe ich einfach stehen und warte bis alles vorbei ist.
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Mit zartem Gasfuss bekommen wir nun aber wieder Schwung und rollen kurz darauf durch heftigen Nebel. Wenig Sicht, immerhin nicht auch noch Schneefall. Krass wie sich hier das Wetter von Kurve zu
Kurve ändern kann. Viele Kilometer begleitet uns die miese Sicht, bis wir nach Mehamn kommen, es geht bergab, der Himmel macht wieder auf, der Ort begrüsst uns bei tollem Licht und Sonne.
Wow!
Und hier, am Ende der Welt…ein Flughafen.
Wir halten uns jedoch nicht lange auf, fahren im Ort rechts, wieder berghoch. Wieder an einer offnen Schranke vorbei, wieder in eine absolut verschneite Landschaft mit Weite, Bergen und viel Schnee! Alter Norweger! Ist das geil! Immer wieder. Ich komme aus dem Filmen gar nicht mehr raus. Jetzt langsam ein Schlafplatz…wäre geil. Dann müssen wir nicht in Gamvik, unserem Ziel, pennen.
Und als ich die Hoffnung schon aufgegeben habe, kommt ein freigeschobener Platz an der Straße. Dritte Vollbremsung heute. Wir parken nun zwar nur 5 m von der Straße weg, aber egal. Hier ist eh nichts los.
Wir genießen noch die letzten Sonnenstrahlen für Fotos bis sie dann auch schon weg ist um ca. 14:30 Uhr. Dunkel wird es aber noch lange nicht. Die Dämmerung geht ewig.
Draußen bläst ein ziemlicher Wind, doch hält mich das am Abend nicht davon ab, auf Polarlicht Jagd zu gehen. Zudem muss ich noch mit der Sony Aufnahmetests bei Wind machen. Die hat nämlich in Verbindung mit meinen Mikrofonen ein Windproblem und produziert dauerndes knacken. Das kenn ich von meiner Canon nicht und hat mir in den letzten Tagen zig Aufnahmen versaut.
Die Show am Himmel ist gut, aber nicht überragend. Dennoch, ein paar coole Fotos entstehen.
Gegessen wird zwischendurch schnell, Reste von gestern die auch noch für morgen reichen wenn ich es heute nicht übertreibe.
Gegen 23 Uhr fallen mir die Augen zu. Was für ein Tag…ein Fahrtag…der es aber übel in sich hatte. Aber, wir haben alles gemeistert. Der Co-Pilot ist auch wieder zu seinem Grau-weiss zurück
gekehrt und Friedrich wattet auch wieder normal. Puh….
Gute Nacht und viele Grüsse
Kai
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Ursel Lange (Samstag, 26 März 2022 22:04)
Moin Kai, was für eine Reise, wow. Um die Nordlichter beneide ich dich wirklich kolossal. Aber nicht um das Fahren bei Schnee und Eis. 1000 Dank für's Mitnehmen. ich bin immer total geflasht von deinen Erlebnissen.
Liebe Grüße aus dem sonnigen Schleswig-Holstein, jetzt um 22 Uhr 9,2 °