Moin,
meine Fresse, was ist denn hier los?? Um vier Uhr wache ich auf weil Zottl im Wind schaukelt wie eine alte Jacht. Immer wieder peitschen Böen um ihn herum. Dann wieder Ruhe und kurz drauf folgt
der nächste Windhammer. Wie soll man denn da schlafen?
Dennoch versuche ich bis 04:30 Uhr vergebens, wieder einzuschlafen. Die Ohropax schiebe ich mir dabei bis ins Hirn, aber es hilft nix. Bei dem Geschaukel und Getöse ist für mich an Schlaf nicht
zu denken. Zudem kommen auch noch ganz andere Geräusche dazu...fliegender Schnee der übel auf Zottl prallt. Es hört sich an, als würde jemand Zottl von außen sandstrahlen!!! Grausam.
Ich entscheide: aufstehen! Co-Pilot und Friedrich liegen wie erstarrt in Zottl's Heck. Schreckstarre?! Ich lass sie mal noch liegen.
Neugierig bin ich ja schon wie es draußen aussieht, also warme Klamotten an, Kamera in die Hand und raus vor die Tür. Aber vorsichtig beim Aussteigen, die Fahrertür gut festhalten. Sturm scheint
von hinten zu kommen.
Das Erste was ich feststelle als ich draußen stehe: wo ist der Schnee hin? Als wir vor einigen Stunden hier ankamen, lagen hier 15-20 cm Schnee. Jetzt: nix! Alles weg! Nur noch Eis zu
sehen.
Und wie ich etwas durch die Gegend laufe, trifft mich mal kurz der Sturmhammer wie aus dem Nichts. Mir bleibt die Luft weg, so stürmt es. Kurz sehe ich nix vor lauter herumfliegendem
Schnee. Ich rette mich zurück in Zottl's Windschatten und sortiere mich kurz. Alter...was war das denn?
Eine zweite dieser Sturmböen trifft mich, diesmal aber besser vorbereitet. Ich versuche so gut es geht zu filmen, breche aber ab und flüchte zurück in Zottl. Und es ist jetzt auch klar: weg hier!
Sonst hat Zottl nachher keinen Lack mehr auf seinem Blechkleid. Der Sturm kommt von seitlich hinten, fegt mit gewaltiger Kraft den Berg runter.
Schnell räume ich so halbwegs auf, mache uns Fahrfertig und um 5 Uhr verlassen wir fluchtartig den Urnerboden. Vor uns fährt noch das Salzfahrzeug durch, gut zu wissen. Aber wohin jetzt. Ganz
runter ins Tal? Eigentlich wollte ich ja schon noch einen Blick bei Tageslicht auf den Urnerboden werfen. Also erstmal nur so weit, bis wir windgeschützt stehen? Hm...
Die Straße ist zum Glück gut zu befahren, keine Schneewehen oder sonstiges im Weg. Nach einigen Minuten Fahrt, es geht schon wieder leicht bergab, wir haben das Hochtal bereits verlassen, kommt
links eine freie Schneefläche mit Autospuren drin. Blinker links...rein da...hoffen wir mal, wir kommen wieder raus. Da es aber abschüssig ist, sollte das gehen.
Parken, Licht und Motor aus...Ruhe...kein Sturm, keine Böen...uff. In Sicherheit?
An Schlaf ist weiter nicht zu denken, bin hellwach. Also Kaffee, Laptop und Videoschneiden. So komme ich da wenigstens vorwärts.
Ab und an besucht uns zwar in den nächsten 2 Stunden auch hier eine stärkere Windböe, alles in allem ist es aber angenehm ruhig. Kaum Verkehr auf der Straße, der Kaffee schmeckt.
Nachdem es endlich hell ist, geht auf 9 Uhr zu, mache ich Zottl startklar. Drehen und zurück auf den Urnerboden!
Friedrich und Co-Pilot schauen mich völlig entgeistert an! Mir scheint, sie würden lieber hier auf dem Parkplatz warten als nochmal hoch auf den Urnerboden zu fahren.
Ach Jungs, jetzt habt euch mal nicht so! Was soll schon passieren?!
So stelle ich meine DJI Osmo Action auf um noch unsere Abfahrt zu filmen. Immerhin müssen wir im Schneefeld wenden und wieder auf die Straße kommen. Überraschenderweise klappt dieses Manöver ohne
Probleme. Zack...stehen wir auf der Straße. Warnblinker an und schnell zurück rennen und die Kamera holen.
Und weil ich dabei Quatsch machen, hauts mich schier noch aufs Maul. Man, man, man...werd erwachsen...äh....nee!!!
Die Fahrt auf und über den Urnerboden entpuppt sich als der Hammer. Es stürmt noch immer, wir durchfahren einen kleinen Tornado der durchs Tal jagt, pflügen durch kleine Schneewehen und ich habe echt Spaß. Die beiden neben mir schütteln nur ihre Köpfe...oder sind das die Vibrationen vom Tornado die in ihnen nachhallen...?
Und wenn mir jetzt einer sagen würde, dass dies hier nur der Abklatsch dessen ist, was mich heute Nachmittag noch erwartet, ich würds nicht glauben.
Ich fahre bis zum Fahrverbotsschild, stopp, steige aus...ugh....kalt. Wind, leichter Schneefalls. Oben am Berg wird der Schnee aufgewirbelt und in alle Richtungen verteilt. Garstiges Wetter. Die
Straße eisig, kaum noch Schnee, alles verblasen. Schnell ein paar Videoaufnahmen und Fotos und dann nix wie zurück in Zottl. Überlassen wir diese karge Landschaft mal besser sich selbst und
machen hier den Abflug.
Durch weitere Schneewehen pflügt Zottl zurück zum Schlafplatz und weiter runter ins Thal. Die Strecke noch immer mit Vorsicht zu genießen, aber nicht ganz so glatt wie gestern Abend.
Ohne Probleme erreichen wir Linthal. Dort parke ich Zottl an einem Ausgleichsbecken und werfe erstmal ein leckere Frühstück ein. Das hab ich mir verdient. Der Rest vom Team ist noch zu verwindet um etwas zu sich zu nehmen.
Gegen 10:30 Uhr machen wir uns auf gen Chur. Sind wir doch für heute Abend mit Jens in San Bernardino verabredet. Es soll schön Schnee geben im Süden und entlang des Alpenhauptkamms. Da wollen
wir mitten rein!
Also das ganze Glarnerland zurück, auf die Autobahn, am Walensee vorbei. In Sargans kurz einkaufen und weiter nach Chur.
Begleitet die ganze Zeit von starkem Gegenwind. In Thusis verlasse ich die Autobahn und gehe noch tanken. Ein fataler Fehler!
Seit Chur regnet es, nur noch 3 Grad, Tendenz sinkend. Und als ich nach dem Tankstopp wieder auf die Autobahn biege, erwartet mich kurz darauf vor einem Tunnel ein Stau. Die Ampel am folgenden
Tunnel zeigt ROT. Nix geht mehr. 6 Autos vor mir steht auch der Schneepflug...im Stau.
So, und da stehen wir nun...Polizeiautos fahren an uns vorbei, auf der Gegenspur kommt auch kein Verkehr mehr. Die Feuerwehr kommt. Noch mehr Polizei.
Der Schneepflug darf irgendwann wenden und zurück fahren. Wir nicht. In strömendem Regen stehen wir hier auf der Autobahn und hören Hörbuch.
Und dazu kommt: wir können zusehen wie es kälter wird, wie sich immer mehr Schneeflocken unter den Regen mischen. Als es nach 45 Minuten endlich weiter geht, schneit es fast durchgehend. Und wir
sind erst am Fuße des Anstiegs zum San Bernardino Tunnel. Vor uns liegen noch zig Steigungen, Höhenmeter und Kilometer. Hoffe, die beiden neben mir können daraus nix kombinieren.
Endlich gibt also der Polizist am Eingang des Tunnels die Fahrspur frei. Die Kolonne setzt sich in Bewegung. Für LKW ist die Strecke schon gesperrt. Los gehts...rein in den kurzen Tunnel...als wir raus kommen schneit es heftig, dabei waren das gerade mal eine handvoll Höhenmeter...nächster Tunnel...wieder raus...Fahrbahn weiß! Alter Schwede! Das wird ja lustig.
Tja, was soll ich sagen, es wird nicht besser. Mit jedem Meter Höhe liegt mehr Schnee rum. Ein Schneepflug war hier schon länger nicht mehr unterwegs. Auf der Gegenspur kommt uns einer entgegen. Bei uns...bergauf...Fehlanzeige.
Doch erstmal läuft es trotz allem gut. Es ist nicht sonderlich steil, Traktion und Haftung meiner Winterreifen ist gut, Traction+ aber schon mal aktiviert. Das erste Mal wirklich kitsch wird es, als es steiler wird und durch eine Baustelle über eine Brücke geht. Eigentlich eine unkritische Stelle wenn man mit Schwung kommt...doch weiter vorne fährt ein 1er BWM quer. Sein Drecks Heckantrieb bricht laufen aus und lässt ihn kaum noch von der Stelle kommen. Das verlangsamt die ganze Kolonne dermaßen, dass ich befürchte, genau auf der eisigen Brücke zum Stillstand zu kommen, schnell nehme ich Gas weg, verliere dadurch aber auch Schwung und verschaffe mir Abstand zu meinem Vordermann. Falls die Kolonne also zum Stillstand kommt, hab ich noch etwas Puffer und kann hoffen, dass wieder Bewegung in die Vordermänner kommt.
Co-Pilot und Friedrich registrieren natürlich was läuft und kriegen schier die Kriese. Co-Pilot macht sich extra schwer, so dass wir mehr Gewicht auf die Vorderachse bekommen. Friedrich, der Gewicht nicht wirklich zu bieten hat, stellt das Atmen ein. Was das bringen soll, ist mir nicht ganz klar...aber ich muss mich jetzt aufs Fahren konzentrieren. Sonst sind wir hier gleich voll am Arsch. Denn auf der Brücke stoppen wäre der Tod. Da kämen wir nicht mehr los. Selbst jetzt bei 20 km/h verlieren die Reifen schon Traktion. Zottl kämpft sich den Berg hoch. Und alles nur, weil der blöde BMW da vorne quer fährt. Ich würde wetten der hat Sommerreifen drauf!
Einige PKWs überholen den BMW, so dass es nicht zu stehendem Verkehr kommt, irgendwann sind alle PKW dran vorbei und wir erstes Fahrzeug hinter dem BMW, allerdings mit gut Abstand. Und irgendwann ist auch dieser verdammte Anstieg geschafft, es wird wieder flacher, der BMW kommt wieder normal vom Fleck und wir auch. Puh...das war nicht ohne!
Doch kaum durchgeschnauft, kommt die nächste Herausforderung. Immer mehr Schnee liegt auf der Strecke, jetzt ein Anstieg mit S Kurven. Nix mit Schwung, vorsichtig und bedacht fahren aber auch
nicht zu langsam. Zu schnell wäre aber auch doof, dann rutschen wir aus der Kurve. Zudem wird die Sicht immer schlechter, Schnee und alles weiß nach vorne raus und meine verdammten
Scheibenwischer sind teils gefroren, was die Sicht deutlich verschlechtert. Ich muss mir immer eine Lücke suchen durch die ich überhaupt noch schauen kann.
Trotz aller Widrigkeiten schaffen wir auch diese Steigung, der BMW ist irgendwann weg...abgefahren, davon gefahren oder in einer Schneewehe versunken...keine Ahnung. Auf jeden Fall haben wir
keinen mehr vor uns. Äh...wo ist eigentlich die Straße?!
Die Sicht ist hundsmieserabel. Ich erahne die Straße nur noch, auch Gegenverkehr ist nicht zu sehen. Es ist alles einfach nur noch WEIß. Dazu die gefrorenen Scheibenwischer....gottverdammter
Scheißdreck! Wo bin ich? Wo fahr ich gerade lang?
Das Einzige, was mich jetzt rettet, ist ein Schild: Tunnel!!!! Wir sind oben!!! Der San Bernardino Tunnel. 7 km Auftauen. Aber noch müssen wir einige 100 m im Blindflug auf das Tunnelportal
zufahren. Das sollte irgendwann erscheinen...
Und so ist es, ich war selten so froh, in einen Tunnel zu fahren wie jetzt in diesem Moment. Endlich wieder Kontrast!! Wir zielen und...sind drin. Geschafft! Die Truppe in Zottl schnauft durch!
Die nächsten 7 km entspannen wir. Cruisen langsam durch den Tunnel und machen uns gedanklich bereit auf noch mehr Schnee. Denn wenn wir auf der anderen Seite rauskommen, wird es noch weißer
sein.
Und so ist es. Der Tunnel spuckt uns aus und wir müssen erstmal suchen wo die Autobahnausfahrt San Bernardino ist. Vor lauter Weiss schier nicht zu entdecken. Dazu liegen überall Schneemassen
rum, die Abbiegespur die ich nutze, in der Hoffnung, es ist die Richtige, wurde schon sehr lange nicht mehr geräumt.
Wir pflügen durch Powder Snow. Kurz darauf erreichen wir über ein kurzzeitig gut gepflügtes Stück Straße das Örtchen San Bernardino. Kaum auf der Hauptstraße, liegen 15 cm Schnee, teils auch mehr rum. Das Dorf wirkt ausgestorben und in völligem Winterschlaf. Hier liegt bald ein halber Meter Neuschnee rum...und ich muss jetzt mal schauen wo ich mich hinparke.
Wir zottln vorsichtig durch San Bernardino, auf der Suche nach unserem angedachten Parkplatz. In der großen Hoffnung, dass er auch geräumt ist. Denn bei den Schneemassen, die hier auf der Straße liegen, haben die doch sicher keine Zeit für Parkplätze....hm...
Zu allem Übel geht es aus dem Ort raus auch nochmal ein gutes Stück bergauf. Doch zu unserer Überraschung schaffen wir das Hindernis gut. Es ist kalt, der Schnee recht griffig und pulvrig.
Immerhin!
Ein Stück weiter treffe ich auf den Parkplatz...äh...nee...doch nicht...das ist eine schneebedeckte Wiese...wir müssen noch weiter...
Einige hundert Meter weiter seh ich das Parkplatzschild und sehe.....wow...ich glaub der ist geräumt...ja leck...Zufahrt möglich, auf dem Parkplatz liegen 10 cm Neuschnee, die aber keine Probleme
machen. Wir kommen gut drauf, können drehen und Zottl ganz am Rand längs zur Schneewand abstellen. Perfekt!
Mittlerweile ist es 14:30 Uhr rum. Viel hält mich nicht in Zottl. Bei dem Wetter...Schneehose und Winterjacke an, DJI Osmo Action mitnehmen und raus. Ab in den Schnee. Kleine Runde zu Fuß durch
San Bernardino...
Und was ich dabei erlebe...das gibts dann im nächsten Blog zu lesen. Außerdem geht der Abend noch ziemlich lang und wird erst gemütlich und dann recht ungemütlich! Bis am Ende der Wachholder
siegt!
Viele Grüße
Kai
GPS Koordinaten:
Urnerboden: 46.884561,
8.890235
Parkplatz San Bernardino: 46.454641, 9.197886
Kommentar schreiben