Die Nacht war gut, der reißende Fluss hat mich nicht weg gespült, obwohl ich nur ca. 4 m von ihm entfernt etwas erhöht stand. Bin ich ja froh. Nicht sicher, ob Zottl schwimmfähig ist. Koordinaten des Platzes: 69.193261, 23.574260.
Die "Nacht" wenn man sie so nennen will, es war ja nie dunkel, geht um 9 Uhr zu Ende. Aha...so langsam komm ich in Ferienrythmus. Hoffe das bleibt so.
Draußen ist es logischerweise hell, ich mache Frühstück, sichere Daten und gehe es entspannt an. Muss heut zwar auch noch 362 km fahren, ein Klacks im Vergleich zu den letzten Tagen. Google gibt mir das aber mit über 5 Stunden reiner Fahrtzeit an. Bedenkt man dann noch Pausen für Essen, Trinken, Ausruhen...wird es doch ein langer Tag. Aber das Geile ist: es wird heute wieder nicht dunkel. Man kann unterwegs sein bis spät in die Nacht ohne Angst haben zu müssen, in Dunkelheit irgendwo anzukommen oder ein Rentier über den Haufe zu mähen. Genial!
Gegen 11 Uhr packe ich meinen Krempel zusammen, setzte meinen Copilot auf den zugehörigen Sitz und lasse den Motor an. Fahre den schmalen Weg wieder zurück auf befestigte Straßen. Der Platz ist für Kastenwagen gemacht, breite große Weißwaren ruinieren sich wahrscheinlich am Gebüsch die Außenhaut.
Ich überquere die Brücke und gleich geht es bergauf. Die Vegetation ist hier noch arg hinterher. Die Birken haben noch keine Blätter, die Landschaft ist sehr karg. Die Straße ist so naja....vieeeeele Querfugen die uns durchschütteln. Aber nix los. Wir sind ziemlich alleine.
Die Seen sind teils noch gefroren, Schneereste liegen rum und die Temperatur ist einstellig. Einlandend ist anders, aber irgendwie beidruckend die Landschaft. Ich muss einige Male stoppen für Bilder und Video Sessions.
Unterwegs entsorge ich nochmals kurz mein Schwarzwasser an einem Plumpsklo. Schön wenn man ohne Chemie arbeitet. Was ich aber heute benötige, ist Frischwasser. Das sollte sich noch als Herausforderung darstellen.
Ich fahre und fahre, komme irgendwie nur langsam voran, bis ich es dann aber doch nach Karasjok schaffe. Entlang an wilden Flüssen, über wellige Straßen. Ich liebe es hier zu fahren. Rentiere sehe ich auch einige. Viel Wasser steht hier auch rum, kein Wunder hat es hier im Sommer Mücken ohne Ende. Heute aber: NIX. Meine Frontscheibe ist so sauber wie frisch gefallener Schnee. Kein einziges Vieh getötet heute. Ein guter Tag...hahaha.
In Karasjok gibt es gleich am Anfang des Dorfes eine Ver- und Entsorgestation. Ich finde sie sofort, ohne Verfahren, ich bin beeindruckt von mir selbst. Hatte aber auch gleich zwei Navigationseinheiten am laufen um sie auch WIRKLICH zu finden. Ich fand sie...große Freude wich jedoch Enttäuschung. Ich konnte zwar meine Abwassertanks leeren. Aber kein Frischwasser bunkern. Dieses war witziger Weise abgestellt. Shit!
Apropos Shit, so wirklich sauber war die Station auch nicht, es lagen diverse Hinterlassenschaften rum, die ich hier jetzt nicht näher speziefizieren will. Hab sie auch nicht auf Video gebannt. Zu grusig.
Unverrichteter Dinge was Wasser bunkern angeht, fahre ich weiter. Und dann, rechts, Karasjok Campground....f*** schon vorbei "geschossen". Ich drehe bei der nächsten Gelegenheit und fahre zurück.
Leider ist die Rezeption nicht besetzt. Steht zwar eine Telefonnummer an der Tür. Ich wage es aber nicht. Ist Mittagszeit und ich will niemanden vom Esstisch scheuchen nur weil ich etwas Wasser benötige.
Ich schaue mich noch kurz um, sieht nicht schlecht aus hier. Mache ein paar Shots und fahre weiter.
In Karasjok selber gibts noch ein Suomi Museumsdorf. Das sieht aber so tot aus, glaub die haben noch nicht offen, dass ich erst gar nicht anhalte sondern weiter ziehe. Ich will ja noch wo hin heute.
Ich zottl also durch karge Landschaften, bis plötzlich...wow...alter Norweger...geil...nach soooo viel Wald, Sumpf, kargem Land....sehe ich BERGE. Richtige BERGE!. So wie zu Hause. :) Schroff, mit Schnee drauf. Zwar noch weit am Horizont, aber ich fahre definitiv drauf zu. Einige Fotostopps verlängern meine Reisezeit. Irgendwann sehe ich auch Wasser....Meer, um präziser zu sein. Ich roll durch Lakselv.
Hier halte ich nochmals an einem Camping bzgl. Wasser. Ich sehe sogar einen Wasserhahn. Es ist aber niemand da. Und einfach bedienen, das macht man (ich) nicht. Ah...aber eine Telefonnummer hängt an der Tür. Ich wähle. Es nimmt keiner ab. Telefon sei aus oder die Nummer falsch sagt mir die nette Stimme des Providers. Okay, dann halt nicht.
Ich fahre weiter, Schnauze voll. Wenig später stoppe ich aber schon wieder, Strand, Meer, Sonne...da muss ich halten. Tolle Bucht, aber wenn ich so weitermache, komme ich heute nicht mehr weit. Mittagessen steht auch noch an. Der Magen hängt schon wieder in den Kniekehlen. Aber ich muss noch einige Kilometer durchhalten. Ich habe einen ganz besonderen Spot für mein Mittagessen im Auge.
In Indre Billefjord biege ich am Ortseingang rechts ab. Es geht eine ordentlich befahrbare Straße Richtung irgendwo. Ich folge. Die Straße wird bald ein Schotterweg der bergab führt. Ausgewaschen, Schlaglöcher...Zottl leidet ein wenig, ich mit ihm. Aber es soll sich lohnen. Am Ende allen Übels hört die Welt auf. Ein kleiner Wendeplatz (was'n Glück), eine Tischgarniture (glaub ich Spinne), recht windstill, Möwen, Sonne, kleine Bucht. Ein Traum von einem Freistehplatzes (70°19'44.0"N 25°10'26.1"E). Ich laufe etwas rum, wie ein aufgeschrecktes Huhn, der Ort ist einfach genial. Es steht zwar eine Art Haus in der Bucht, aber derzeit wohl unbewohnt. Ich bin, mal wieder, total alleine. Fantastisch!
Mein Hirn beginnt zu rattern. Soll ich hier bleiben über Nacht? Oder weiterfahren zu meiner Verabredung mit und am Nordkap. Oh man, ich überlege hin und her. Aber, wie immer: keine Entscheidungen auf leeren Magen. Erstmal was kochen.
Ich zerschneide drei Hühnchenbrustfilets, brate sie an, Kokosmilch und Wasser dazu, Kräuter der Provence müssen es tun, Kräutersalz, Zitrone, Gemüsereste von gestern. Es gibt eine Art Curry ohne Curry. Denn Curry hab ich nicht dabei. Wurscht. Hunger!
Reis mit Ei und Schinkenwürfel hab ich auch noch. Das ganze gibt ein top Essen. Ich schaufle es rein.
Im Anschluss schnell abwaschen und eine Entscheidung treffen. Ich bleibe nicht hier, auch wenn es mir schwer fällt den Platz schon wieder zu verlassen. Es wird sich jedoch herausstellen, dass dies eine der besten Entscheidungen sein wird. Doch sie steht auf der Kippe, lese ich doch von meiner Verabredung, dass sie abfahren wollen, sie sind seit gestern am Kap. So überlege ich wieder, bleib ich halt hier. Ich schreibe zurück. Dann kommt die Antwort, sie bleiben doch noch eine Nacht am Kap, Wetter sei gut. Ja, als Camper ist man flexible, das ist ja das Coole dran. So lege ich mich auch endgültig fest. Ich fahre JETZT ans Kap. 160 km noch.
Wie immer, alles verstauen, Zottl auf engem Raum drehen ohne ins Wasser zu fallen. Abfahrt. Die Tortour von Weg zurück zur Hauptstraße.
Ab ans Kap. Wetter ist bewölkt, paar Regenspritzer.
In einem der nächsten Dörfer komm ich nochmals an einem Camping vorbei. Ich werfe mal wieder den Anker. Zum Camping gehört ein Souvenir Shop der auch die Rezeption ist. Und er ist offen. Es wird Englisch gesprochen, super nett, gegen 40 NOK kann ich meinen Tank füllen. Genial. Das reicht mir wieder etliche Tage. Während ich so, fast am Strand, meinen Tank voll laufen lasse, beobachte ich einen Bauarbeiter der einen Berg Müll aufbaut. Ich beachte ihn nicht weiter.
Wenig später sehe ich aus dem Augenwinkel, wie er davor in die Knie geht und feuer macht. Ooookaayy.....ich sehe Plastikmüll, gelbes Isolationsmaterial, Holz...na das wird schön brennen. Rück zuck steht der Stapel in Brand, qualmt wie die Hölle, schwarzer Rauch steigt hoch, zum Glück ablandiger Wind und der Dreck zieht aufs Meer. Da kann ich nur den Kopf schütteln. Oh, Tank ist voll. Abflug.
Unterwegs auf einer Geraden lasse ich noch die Drohne hoch, es windet zwar aber es geht. Mit Auto-Track Funktion filme ich meine Fahrt in Zottl. Allerdings vergesse ich IDIOT, auf Aufnahme zu drücken. Ich filme also, es wird aber nix aufgezeichnet. Das fällt mir ne Stunde später aber erst auf. Ich könnte mir jetzt noch dafür in den Hintern treten!!!! Denn die Aufnahme wäre gigantisch gewesen. Naja, nächstes mal dann.
Ich hole die Drohne wieder vom Himmel. Keine 30 Sekunden später graupelt es. Schwein gehabt!
Weiter geht's.
Am Meer entlang, hoch und runter, gewaltige Landschaften ziehen an mir vorbei. Berge kenne ich ja, aber in Verbindung mit Küste/Meer ist es nochmal eine magischere Atmosphäre.
Dann kommt der Nordkaptunnel, kostenlos mittlerweile, weil bereits amortisiert. Es geht 200 m bergab, 8% und anschließend wieder im Tunnel steil bergauf. Das hab ich auch noch nicht erlebt. Beeindruckend was die Norweger hier gebaut haben.
Die Fahrt über die letzten 25 km bis ans Kap sind sehr bergig. Das Wetter ist so lala, Sturm, Sonne, Regen wechseln sich ab. An einem Stopp komme ich schier nicht aus dem Auto weil der Wind so auf die Tür drückt. Die Aussichten sind jedoch jede Anstrengung Wert. Ich friere mir den Arsch ab, schreie in die Kamera vor lauter Wind und fange mir Regentropfen ein.
Wer hier im Winter unterwegs ist, mein Respekt. Bei Schnee ist die Strecke sicherlich schwierig befahrbar. Sieht nach Schneeketten aus für Camper.
Ich komme dem Kap immer näher, und das Wetter wird besser. Immer sonniger. Zwar Stürmisch, aber das ist egal. Hauptsache sonnig.
Und dann bin ich da, am Eingang zum Nordkap. Ich zücke die Visa Karte, zahle 270 Kronen, unterhalte mich noch nett mit dem Kassierer und fahre auf das Plateau. Ich fahre den ersten Parkplatz an, der obere ist schon recht voll. Stehe so zwar weit weg vom Visitor Center, aber who cares. Steh ja eh lieber alleine als im Rudel. Niemand also direkt neben, vor oder hinter mir. Perfekte Sicht gradaus, ich steh genau an der Kante.
Die Sonne scheint in Zottl. Wie geil ist das denn? Da fährst Du tausende von Kilometer, hoffst auf gutes Wetter hier oben...und es wird wahr. SONNE AM NORDKAP. Ich kann es nicht glauben. Aber es ist so. Ein paar Wolken machen das Schauspiel perfekt. Man hätte es nicht viel besser treffen können. Es stürmt zwar heftig, witzigerweise aber genau dort, wo Zottl parkt, eher weniger. Der Wind scheint auf das Cliff zu treffen und über Zottl drüber gelenkt zu werden. Perfekter Platz für eine Nacht.
Ich sortiere mich kurz und steige aus...und da kommt mir auch schon Claudia entgegen, von "Living and Travel". Mit ihr hatte ich die letzten Tage immer wieder WhatsApp Kontakt und vorab schon via Email. Ich freue mich riesig sie zu sehen, Michael (ihr Mann) mit Hund an der Leine lerne ich etwas später auch kennen. Ganz nette Menschen, wir haben viel Spaß bis halb drei Uhr "nachts". Die Sonne begleitet uns die ganze Zeit.
Die Nordkap-Weltkugel haben wir teilweise ganz für uns alleine, für Fotos und "dummes Zeug". Wir lachen viel und ich freue mich riesig, dass ich hier bin, dass das Treffen mit den beiden geklappt hat. Danke schön ihr zwei, hat mich mächtig gefreut euch hier zu treffen. Auf Anhieb sympathisch gefunden, und einen tollen Abend verbracht.
Viele Fotos und Videos später sind wir durchgefroren und gehen noch auf einen guten Wein in Claudia's und Martin's Chausson. Reden und lachen, beobachten die Sonne und um halb drei, die Sonne steigt schon wieder, mache ich mich auf den Weg zurück zu Zottl. Zeit zu schlafen.
Was für ein geiler Tag. Die Location, das Wetter, die Aussicht, die zwei netten Menschen, der super Spot zum Mittagessen, Wasser auch bekommen. Ich bin ein echter Glückskeks!!!!!!!!!!! Und so froh, diesen Trip auf mich genommen zu haben, mir den Traum eines Kastenwagens verwirklicht zu haben. Die Freiheit und der Spaß ist unbeschreiblich. Trotz viel Fahrerei, fühle ich mich kein bisschen müde, geschafft oder erledigt. Der Weg ist das Ziel. Das Nordkap auch. Aber das Unterwegs sein, das bleiben wo man will, das ist es was für mich zählt und den Reiz der Reise ausmacht.
So, genug für heute. Ab ins Heck von Zottl.. Die Sonne steigt am Himmel, ich falle ins Bett. Glücklich und zufrieden. Mal sehen was als nächstes kommt. Bin ja noch über zwei Wochen unterwegs. Ich falle in tiefen Schlaf.
Grüsse vom Nordkap.
Kai
Meine Route heute:
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