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#139 Wallis ohne Wallis Tour - Südamerika in Graubünden

Schönen guten Morgen,

 

eine wunderbar ruhige Nacht haben wir hier an unserem eigenen Stausee verbracht. Einzig der Wasserfall gegenüber ist eine konstante „Lärmquelle“. Ansonsten…alles prima. Doch bevor ich den Tag beginne, erstmal die Verdunkelung rechts hoch und rausschauen. Die Sonne scheint, doch Dunst am Himmel kündigt auf lange Sicht nichts Gutes an. Aber egal, jetzt ist es noch toll. Ich genieße und präge mir das Bild ein. Ich werde es sicher mal brauchen!

 

Da ich weiss, dass Manfred ein Frühaufsteher ist, bekomme ich schon fast ein schlechtes Gewissen, dass ich um 08:30 Uhr noch immer in den Federn liege. Aber ich kann natürlich nicht zu früh aufstehen, dass würde Friedrich und Co-Pilot verägern. Sie brauchen ihren Schönheitsfellschlaf. Wollen ja nicht, dass sie bereits morgens unleidlich und grummelig sind. Es reicht, wenn sich diese Stimmung durch mein Fehlverhalten über den Tag durch entwickelt.

 

Gegen 9 Uhr stehe ich dann aber doch mal vorsichtig auf und gebe gleich Vollgas. Drohne in die Luft. Ich komme mir vor wie Jens, early bird flight ohne Frühstück. Eigentlich mag ich das nicht so, aber es ist gut möglich, dass das Wetter nicht mehr lange mitspielt.

1 ½ Akkus später hab ich alles gesehen und lande den Aufklärer ohne Probleme. Zur Zeit läuft das richtig prima mit der Drohne. Keine kritischen Situationen oder Ausfälle. Bin weiterhin sehr zufrieden mit meiner DJI Mavic Pro. Sollte sie dennoch irgendwann mal den Geist aufgeben, käme eine Mavic Pro 2 in Zottl.

 

Nach einem anstrengenden Flug erstmal ein entspanntes Frühstück mit Manfred zwischen unseren Vans. Die Sonne scheint weiter und es ist ziemlich gut warm.

 

 

                

Auch wenn wir hier jetzt ewig sitzen und reden könnten…das geht nicht! Ich will noch nachholen, was gestern nicht ging: eine Erkundung der Umgebung.

 

Erstmal die schwere Variante: bergauf!

Ein paar Meter die Straße hoch, dann links über eine Absperrkette drüber und bergab einige hundert Meter. Manfred war hier schon gestern und warnt mich vor. Halt Deine Kamera bereit…gut…dann stell ich das Luder mal an…wir laufen, biegen um eine Linkskurve und…WOW…sprachlos…atemberaubend schön und gefühlt hat es mich gerade nach Südamerika in den Regenwald katapultiert. Meine Fresse ist das schön hier.

Eine befestige Bachdurchfahrt schließt hier sozusagen eine Schlucht ab. Schaut man in die Schlucht rein, wird klarstes Wasser sichtbar, die Gischt spritzt und lässt die Schlucht mystisch aussehen. Wendet man den Kopf hoch, sieht man Bäume und Sträucher die sich gegen den Himmel abzeichnen.

Es ist so schon, ich kann das gar nicht beschreiben. Mit Bildern geht das besser:

 

 

      

Natürlich muss man durch dieses Bachbett durchlaufen. Schuhe und Socken aus…ugh….kalt…wir waten durch das 15 cm tiefe Wasser. Das müssen wir mehrfach um alle Aufnahmen im Kasten zu haben.

Auch in die Schlucht kann man ein paar wenige Meter reinlaufen. Ein wunderschöner Ort und kein Mensch hier.

In anderen Ländern wäre das eine Touristenattraktion mit Beschilderungen, Eintritt und entsprechendem Touristenrummel. In der Schweiz deutet keinerlei Schild auf diesen Ort hin, noch nicht mal der Stausee ist auf Google mit Name angeschrieben.

 

Im Hochsommer kann man hier sicher toll einen Tag verbringen. Ich stelle mir vor, wie man Tisch und Stühle ins Wasser stellen könnte, ein kühles Bierchen in der Hand und genießen. Für heute steht das aber nicht auf dem Plan. Wir schnappen unsere Schuhe und begeben uns zurück zu den Vans.

 

Laufen aber direkt dran vorbei, weiter bergab bis auf Höhe des Zugangs zur Staumauer. Die sieht schon etwas in die Jahre gekommen aus.
Ich wundere mich noch immer, dass es sich lohnt, für so einen mini Stausee eine so große Mauer zu bauen. Wahrscheinlich der Grund, warum sie nicht erneuert oder ausgebessert wird…sie sieht mitgenommen und alt aus.

 

Wir marschieren über die Mauer, sie hält und auf der anderen Seite erreichen wir den Einstieg in einen Klettersteig. Läuft man rechts, geht ein schmaler und steiler Wanderpfad den Berg hoch. Wir folgen ihm ein paar Meter, drehen dann aber um. Für eine Wanderung haben wir weder die Ausrüstung dabei noch die Zeit. Vielleicht beim nächsten Mal!

 

Zurück über die Staumauer, wieder auf die Straße und weiter bergab. Eigentlich wäre die Strecke hier gut fahrbar. Doch dieser Bereich ist erstens als Privat ausgeschildert und zweitens ist die Straße durchzogen von Wasserrinnen die breit und tief sind. Das könnte mit einem Kastenwagen zu Schäden am Unterboden des Fahrzeugs führen. Daher besser zu Fuß.

 

Und als wir um eine Ecke biegen, sehen wir, dass es auch noch einen weiteren Show Stopper gibt: Ein riesen Felsblock und sonstiges Gestein versperrt die Strecke. Spätestens hier wäre Schluss.  Es geht nur zu Fuß weiter.

Einige Meter später stehen wir am Fuße der Staumauer. Auch von hier macht sie keinen frischen Eindruck. Ist das der Grund, warum sie seit gestern 5 Meter Wasser verloren hat? Es werden neue Niederschläge erwartet, da muss Platz gemacht werden.

 

Hier unten gäbe es auf jeden Fall eine tolle Fläche zum Freistehen. Schöne Wiese, eben, gut Platz…aber eben, man darf hier nicht hin. Und derzeit geht das auch gar nicht. Und daran halten wir uns natürlich. Zudem ist der Bereich um den Staudamm Video überwacht. Stünde man hier, käme wohl sehr schnell Besuch.

 

Wir kämpfen uns wieder den Berg hoch zu unseren Vans, ruhen uns noch einen Moment aus, ich esse einen Schweizer Apfel und gegen 15 Uhr packen wir zusammen, wenden unsere Vans auf engem Raum und zottln die 10 km zurück in die Zivilisation. Dafür benötigen wir 43 Minuten. Gegenverkehr kommt zum Glück immer an Stellen wo wir gut ausweichen können. Die Fahrt zieht sich, aber wir kommen gut durch.

 

Auf der Autobahn wenden wir uns kurzzeitig gen Süden, biegen jedoch kurz vor Bellinzona nach Norden ab und fahren 20 km gen Gotthard Tunnel. Und auf dieser Strecke passiert, was wir erwartet hatten für heute Nachmittag: Regen! Nicht nur eine kleine Wolke, nein, ein ordentliches Regengebiet gibt sich die Ehre.

 

Bei Biasca biegen wir ab und fahren 15 km gen Lukmanier Pass. In Malvaglia fahren wir rechts von der Hauptstraße ab. Wer uns schon länger folgt, erinnert sich vielleicht. Hier waren wir schon mal. Das erkennt auch der Co-Pilot. Macht große Augen und vermutet wohl, wir fahren an den gleichen Spot wie damals. Doch weit gefehlt. Wir fahren in ein anderes Tal. Auch wenn die ersten Kilometer die Gleichen sein werden wie damals. Und die haben es in sich!

Bereits als der Anstieg beginnt, müssen wir auf der einspurigen Strecke zweimal abbrechen und zurücksetzten weil Verkehr von oben kommt. Erst beim dritten Anlauf kommen wir in den Berg. Und was dann kommt, kostet echt Nerven. Zig Autos kommen uns an den beschissensten Stellen entgegen. Es ist leicht nervenaufreibend und einmal muss ich sogar aussteigen um Manfred an Zottl’s Heck herandirigieren, so dass der Gegenverkehr an Manfred’s Heck vorbei kommt.  Dazu kommt Regen, rechts der immer drohende Abgrund, enge Kurven und Gegenverkehr, der fährt, als gäbe es kein Morgen mehr.

In einer engen Kurve kommt mir ein Mini LKW entgegen geschossen. Ich zum Glück nur mit 10 m/h unterwegs. Der Entgegenkommende legt eine Vollbremsung hin. Das war knapp…aber ich wette, der andere hat nix draus gelernt!

 

Es wird erst ruhiger, als wir von der Hauptstrecke abbiegen und uns ins Seitental begeben. Plötzlich nix mehr los, doch es kommen noch zwei vergessene Dörfli, dann geht es entlang einer eindrucksvollen Schlucht den Berg entlang, hinter ins Tal. Wow…selbst bei Regen…der Hammer. Die Tessiner Seitentäler sind immer einen Besuch wert. Die Anfahrt zwar schwierig, aber für uns lohnt es sich immer.

 

Nach zig Kilometern kommen wir an eine Brücke, 10 Tonnen. Das reicht…aber wie weiter. In 260 m sollte unser Schlafplatz sein…aber ich seh ihn nicht. So stoppe ich Zottl und gehe im Regen und mit Kamera erstmal zu Fuß weiter. Über die Brücke und dann…hm…ist unser Platz hier???? Ein begraster Weg führt steil von der asphaltierten Straße ab. Nope, das wird nix. Da kommen wir nicht runter.

In meiner Annahme, dass dies unser angedachter Platz war, laufe ich zurück, informiere Manfred und wir entscheiden, dass wir das Tal weiter hochfahren und schauen was noch kommt.

 

So setzen wir uns in Bewegung, ein wenig ein komisches Gefühl habe ich, doch das hilft nix. Weiter. Nach 400 m und einigen Kurven kommt ein möglicher Schlafplatz, auf der rechten Seite.  Zwar an der Straße, aber da hier eigentlich nix los ist, kann das funktionieren. Ich parke mich rückwärts ins Gras, schaue vorne raus und denke mir…hey, was ist das da gegenüber…da wo ich vorhin stand, ca 200 m weiter, kommt noch eine Abfahrt. Trotz der Distanz sieht die fahrbar aus. Ich rufe das Google Maps Bild in meiner Erinnerung auf…hm…DAS ist der angedachte Schlafplatz. Kam mir vorhin doch gleich irgendwie komisch vor.

 

Sofort informiere ich Manfred und wir entscheiden, erstmal mit einem Kasten auf Erkundungstour zu gehen. Zottl bleibt stehen. Ich fahre bei Manfred mit. Zurück zur schmalen Brücke, von oben kommend bedarf es etwas Rangiererei bis Manfred ohne Fremdkontakt drüber kommt. Nach 200 m rechts und dann sehen wir es…wow…geil! Riesen ebene Wiese, niemand dort, Feuerstellen, Bach im Hintergrund. Ein Volltreffer! Aber sowas von.

 

Hm…Dumm nur, dass Zottl nicht dabei ist. Erst fürchte ich, Manfred lässt mich durch den Regen zu Zottl laufen. Doch er hat Mitleid und fährt mich zurück. Und keine 15 Minuten später stehen zwei einsame Kästen auf einer großen Wiese im Regen. Was etwas irritiert: von oberhalb der Wiese kommen immer wieder italienische Wortfetzen die sich nicht wirklich höflich anhören. Und dazu Gebimmel von Glöckli. Ab und an riecht es kurz nach Geissen.

 

Wir erkunden den Platz, bis wir nass sind, dann zieht sich jeder in seinen Van zurück. Ich sichere endlich mal alle meine Daten, checke Insta und Facebook. Ja, auch hier, weit hinten im Tal, 4G mit Sunrise.

 

Nach einer Stunde arbeiten, es geht auf 18 Uhr zu, bekomme ich mit, das Manfred Besuch bekommt. Er redet mit jemandem so halbwegs. Ich verhalte mich aber erstmal ruhig. Falls aber was schief geht, wäre ich bereit, den Co-Pilot in den Kampf zu schicken. Er sieht so harmlos aus, ist aber ausgebildeter Wattekampfkunstkrieger. Allerdings, und das könnte ein Problem sein, kämpft er nur im Trockenen…es regnet noch immer.

 

Doch wir haben Glück, es gibt kein Problem. Der Mann verschwindet so schnell, wie er kam… Ich warte noch einen Moment und gehe dann rüber zu Manfred. „Müssen wir weg?“ frage ich.
„Nein heute nicht. Aber morgen um 9 Uhr kommen Kühe auf die Wiese, die evtl. das Fahrzeug verkratzen könnten!“. Die Konversation war jedoch mehr in Zeichensprache…Manfred’s Italienisch ist eher Basic. Aha…hm…egal…dann schauen wir halt, dass wir morgen bis 9 Uhr weg sind. Können ja schnell umparken auf den anderen Platz, wo wir vorhin Zottl abgestellt hatten und dort frühstücken und den Tag über abhängen bis es nach Hause geht.

 

Aber wie soll nun der Abend verlaufen? Momentan…ist es trocken…genau eine Stunde. Dann soll es laut Regenradar nochmals stärker regnen. In einer Stunde hätten wir gerade so eine Glut fertig und könnten loslegen mit Grillen. Doch im Regen? Nicht wirklich erquickend. Manfred fährt zwar eine Markise durch die Gegend, aber wer will die schon nass haben und nach Rauch riechen haben.

Nach einigem hin und her entscheiden wir: das Fleisch wird in der Pfanne gemacht, gegessen wird in Zottl, mit Starkbier und laufender Heizung. Es hat sich ziemlich abgekühlt.

 

Während Manfred das Fleisch zubereitet, werfe ich noch zwei Ringelwürstli in die Pfanne und mache den Dinette Tisch frei. Wenig später sitzen wir in Zottl und genießen Fleisch, Salat und Ringelwürstli. Bei offener Schiebetür, mit geschlossenem Fliegengitter und laufender Heizung. Zugegeben, eine seltene Mischung. Aber was solls, Diesel ist im Tank, die Batterien bis zum Rand gefüllt…da kann man auch mal ein wenig von der Regel abweichen. Und irgendwie ist es mit Bachrauschen und einziehender frischer Luft auch schöner.

 

Als Nachtisch zaubert Manfred noch ein echtes Highlight aus seinem Kühlschrank. Zwei kleine Schokitörtli, die doch tatsächlich noch gut aussehen und die miesen Straßen unbeschadet überstanden haben. Scheint, Manfred’s 17 Zöller machen einen guten Job.

 

Irgendwann gegen Mitternacht geht dann auch dieser Tag zu Ende. Wir sind noch immer völlig alleine auf unserer Wiese. Die letzte Tat für heute: Wecker auf 08:15 Uhr stellen. Doch wenn ich wüsste, was ich morgen weiss…dann…ja…aber ich will nicht vorgreifen.

 

Wünsche eine gute Nacht. Viele Grüsse

Kai

 

PS: Friedrich, unser CFO, war gar nicht angetan vom heizen mit offener Tür und zugezogenem Fliegenschutzgitter. Dennoch zeigte er sich überrascht, wie gut das Fliegengitter die Kälte doch draußen halten konnte. Es war ein großer Unterschied zwischen geöffneter Tür ohne und mit Fliegengitter. Verblüffend! Das hat ihn dann so abgelenkt, dass er völlig vergaß, grummelig zu werden.

 

 

GPS Koordinaten:

Abends, Platz über die Brücke: 46.380630, 9.026029

Kurzfristige Alternative: 46.382308, 9.029627

 

Produktlinks:

Timo's Firmendwebsite Styyl.de Windrad Power LED Lightbar:

Link zur Leiter gibts leider nicht, irgendwo bei eBay geschossen, war ein Einzelstück




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