Guten Morgen,
nach einer schönen ruhigen Nacht wache ich gegen 08:30 Uhr auf, schnappe mein Handy und checke Instagram und Fotos. Dabei fällt mir auf: irgendwie haben gestern einige Aufnahmen mit der Drohne nicht so funktioniert wie sie hätten sollen. Mit fehlen die wichtigsten Aufnahmen meines Flugs hier am San Bernardino Pass. Ich muss wohl gleich nochmal in die Luft. Ein Blick raus: Wetter etwas schleierartig bewölkt. Gen Tal und unsere weitere Fahrtrichtung aber besser.
Dann mal hoch mit dem Körper. Aufstehen, anziehen, Drohne schnappen und ab in die Luft.
Nach dem Flug ist vor dem Frühstück. Das nehmen wir draußen ein. Und im Anschluss heißt es: aufräumen! Ich gehe den Boden düngen mit der Asche unseres gestrigen Lagerfeuers. Wasche Bierflaschen
aus und räume so langsam alles zusammen. Auch wenn es verlockend ist, noch einen Tag hier zu bleiben, wollen wir weiter. Ich hab da nämlich noch einen Platz entdeckt in Graubünden, den ich sehen
möchte. Abgelegen. An einem Mini-Stausee und weit weg von allem. Das dürfte spannend werden.
Und als wie soeben im Begriff sind abzufahren, sehe ich plötzlich ein Motorrad auf unseren „Hof“ fahren…hm…das kenn ich doch irgendwoher… Wir bekommen Besuch! Und ich weiss dann auch ziemlich schnell von wem: Jeannette!
Is ja der Knaller! Schon länger nicht gesehen, aber immer wieder in Kontakt per Email…ist sie nun hier. Wie sich herausstellt, macht sie einen Zweitagestrip mit dem Motorrad. War gestern über Nacht im Tessin und ist jetzt auf dem Rückweg. Sah, dass wir am San Bernardino stehen und hatte Glück. Wir sind gerade noch hier! 10 Minuten später und wir wären weg gewesen. Verrückt!
Aufgrund Corona halten wir alle schön Abstand und unterhalten uns noch 20 Minuten. Doch dann müssen wir los. War eine super Überraschung, liebe Jeannette, dass Du uns hier noch kurz besucht hast. Wünschte, wir hätten etwas mehr Zeit gehabt und Dir noch einen Sitzplatz anbieten können. Das klappt dann hoffentlich beim nächsten Mal! Toll warst Du hier, hat uns sehr gefreut!
Jetzt aber aufsitzen, Kameras an, Mikrofon anstecken, Motor an und los. Wir zottln im Duo entspannt den Pass runter. Gut zu fahren auf der Südseite. Ohne Probleme erreichen wir die Autobahn und fahren wieder ganz runter ins Tal.
Kaum was los auf der Straße. Man fühlt sich schon fast einsam. Nur gut hab ich Co-Pilot und Friedrich dabei. Mit denen kann ich immer mal ein Wörtchen reden oder um Rat fragen. Besonders heute, wo ich mich nicht so ganz fit fühle. Mein Magen macht mir etwas Probleme. Ausgerechnet heute.
In Roveredo sind wir super schnell und verlassen dort die Autobahn, fahren durchs Dorf, halten aber nochmal kurz. Ich muss mich einen Moment hinlegen. Aus dem Moment wird eine Stunde. Danach geht’s wieder und wir können weiter.
Hier unten, 25 Grad und sonnig durch milchigen Himmel. Jetzt kommt der schwierige Teil der Strecke. 10 km einspurig, bergauf, kurvig, steil und eng. So sieht es zumindest auf Google aus.
Den ersten Schreck bekomme ich jedoch schon auf den nächsten Metern. Denn als es aus Roveredo raus geht, lacht mich scheinbar ein Fahrverbotsschild an. Weisser Punkt, rot umrandet. In meinem Hirn starten schon diverse Alternativszenarien und ich merke, dass auch der Co-Pilot beginnt Watte zu denken. Allerdings, als wir dem Schild langsam näher kommen, steht auf dem weißen Grund noch „16 Tonnen“. Puh…Schwein gehabt…ich erlaube mir den Scherz, der Co-Pilot möge doch bitte aussteigen, dann könnten wir da lang fahren.
Er findet das überhaupt nicht lustig. Witze über sein Gewicht sind eigentlich tabu, hatte ich kurz vergessen… Er ist mal kurz wieder wattesauer und würdigt mich keines Blickes. Ich murmle noch ein kurzes „Sorry, tut mir leid“ muss mich dann aber wieder der Strecke widmen. Es geht los. Bergauf, schmal und mieser Fahrbahnbelag.
Der Fahrbahnbelag wird malträtiert durch Baumwurzeln, Zottl rumpelt durch Schlaglöcher und sonstige Unebenheiten. Gefühlt könnten wir auch auf einem Schiff sein. Die gesamte Strecke bergauf is mies. Wir haben Gegenverkehr, glücklicherweise immer nur dort, wo ausweichen recht simpel möglich ist. Es gibt aber auch andere Abschnitte wo langes rückwärtsfahren angesagt wäre. Es zieht sich ewig bis wir mal oben sind.
Doch als wir es geschafft haben, wird die Straße deutlich neuer und besser. Aber nicht breiter. Wir fahren nun hinter ins Tal, immer schön am bewaldeten Abhang vorbei. Kommen noch an einigen abgelegenen Häusern vorbei und so langsam komme ich mir vor wie im Regenwald. Überall Mose, Farne und Wald. Wunderschön und irgendwie schräg, dass wir noch immer in der Schweiz in Graubünden sind. Doch es soll noch besser kommen.
Neben einigen befestigen Wasserdurchfahrten, die jedoch trocken sind, kommt nach einer Kurve plötzlich…Naturstraße! DAS hatte ich auf Google nicht gesehen. Oh je, Manfred wird mich hassen….er mit seinen schönen neuen 17“ Felgen und sauberem Van…jetzt über Dirt Road.
Grobe Steine liegen hier rum, links geht es übel den Hang runter, rechts ist Felswand. Ich fühle mich jetzt irgendwie wie im Regenwald irgendwo in Südamerika. Ich kneife mal den Co-Pilot um zu schauen ob das hier alles real ist. Er verzieht keine Miene….ja, ist real! Wahnsinn. Was für eine Anfahrt. Nach ca. 800 m Naturstraße kommen wir wieder auf Asphalt…puh…deutlich angenehmer für Zottl. Auch Friedrich scheint es positiv aufzunehmen. Er zittert deutlich weniger.
Und so fahren wir weiter, immer weiter, immer tiefer rein in den „Dschungel“. Ich fühle mich immer mehr am Arsch der Welt. Dass es solche Ecken tatsächlich noch gibt, verlassen aber erreichbar. Und irgendwann, nach dem es auch nochmal ein gutes Stück bergab ging…sehen wir ihn, den tief in den Bergen eingebetteten, halbleeren Stausee mit schöner gebogener Mauer. Noch ein paar Kurven und wir sind angekommen. Viel Parkraum gibt es hier nicht. Das war schon klar. Der wenige freie Platz ist von PKW belegt. Wir fahren vor bis uns ein Schild stoppt: Fahrverbot. Bedeutet für uns: 250 m rückwärtsfahren! Mist! Parken ist nicht, hier sehen PKW rum. Kein Platz zum Drehen.
Aber da wir das schon kennen, geht das Rückwärtsfahren ohne große Probleme. Die Kupplung leidet halt ein wenig.
Nachdem wir die Strecke rückwärts bezwungen haben, parken wir auf dem letzten freien Stück Land hier. Mit direktem Blick auf See, Mauer und Berge. Allerdings auch recht abfallend bergab. Aber egal, stand schon schlimmer! Angekommen.
Da ich mich noch immer nicht wirklich gut fühle, melde ich mich für den weiteren Verlauf des Nachmittags bei Manfred ab. Lege mich hinten in Zottl und schlafe, döse ein wenig vor mich hin. Am späteren Nachmittag mache ich mir eine Reissuppe und löffle sie so vor mich hin. Ich habe gerade 4 Löffel intus, als es passiert. Mir ist zwar unklar wie es geschah, aber es passiert. Ich sehe, wie meine Suppenschüssel in Zeitlupe kippt. Da ich bergab stehe, läuft die Suppe mit vielen Reiskörnern quer über den Tisch und verschwindet dann Richtung Vorhang. Ich bin zum Glück reaktionsschnell, hole Küchenrolle und Stoppe den Fluss. Ich fürchte schon, alles ist auf den Boden getropft und sickert gerade in die Ritzen unter meinem Fahrersitz…doch als ich schaue, ist der Boden Trocken. Dafür ist der Vorhang getränkt mit Suppe!! Er hat das Elend aufgefangen. Glück im Unglück! Danke Vorhang. Der is nu aber versaut und brauch ne Wäsche.
Nachdem ich grob alles aufgewischt habe, löffle ich den verbleibenden kläglichen Rest noch in mich und lege mich wieder hin.
Gegen 19 Uhr begebe ich meinen müden Körper mal wieder vor Zottl’s Tür. Ich fühle mich besser und schaue nach Manfred. Der ist bereits am Kochen fürs Abendessen. Risotto mit Salat. Hört sich gut an für mich und ich schließe mich ihm gerne an. Selbst kochen stand heute nicht mehr auf meiner To Do Liste, ich wäre wohl ohne Futter ins Bett gegangen.
Das Abend essen nehme wir bei letzten Sonnenstrahlen ein, draußen unter freiem Himmel. Die Luft fühlt sich feucht-warm an, echt wie im Regenwald, wir genießen ein leckeres Essen und sitzen noch lange draußen und genießen die Ruhe. Außer uns kam hier heute kein Mensch mehr vorbei. Ein wunderschöner und abgelegener Platz auf dieser dicht besiedelten Erde.
Und was uns immer noch vor ein Rätsel stellt: wie heißt dieser kleine Stausee? Auf Google Maps ist er nicht mit einem Namen versehen. Hat er möglicherweise keinen? Kann doch nicht sein….das müssen wir noch rausfinden morgen.
Um 23 Uhr ist für mich Schluss heute. Ich brauch noch etwas Liegezeit und so beschließen wir den Abend. Hoffe, morgen bin ich wieder fit und kann noch etwas die Umgebung erkunden.
Gute Nacht und viele Grüsse
Kai
Koordinaten: ich weiss nicht so genau...ich glaube...diesen Platz werde ich nicht öffentlich machen.
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Kai (Samstag, 20 Juni 2020 12:47)
Hallo, wo finde ich die Koordinaten von diesem Platz? Mach weiter so. Kai
Kai (Montag, 22 Juni 2020 22:55)
Hallo und danke für Deinen Kommentar. Die Koordinaten dieses Platzes bleiben leider das Geheimnis des Co-Piloten. Da kann ich leider nix machen, tut mir leid. Viele Grüsse. Kai