21.11.2024 Schaffen die Schneeketten das?
Schönen guten Morgen,
aufwachen wie immer, so um die 9 Uhr. Heizung, Bett, warten, aufstehen. Blick raus...Frontscheibe zu mit Schnee. Oh...nix zu sehen also. Seitlich...verschneite Bäume und Wind. Etwas Schnee wirbelt durch die Luft. Aber nix was mich schockiert. Sieht alles soweit gut aus.
Dann erstmal in die Dinette setzen, Hirn sortieren, überlegen was heute läuft. Etwas aufräumen, abwaschen ala Kai und so Haushaltskram halt. Als das erledigt ist, warm anziehen und vor die Tür. Wie schauts im Detail aus?
Meine Spuren von gestern Abend im Schnee sehe ich noch, allerdings zugeschneit und geweht. Aber nicht besorgniserregend. Prima. Der Van...hat auf der Schnauze etwas Schnee, sonst auch aber nur ein wenig. Der Schneefall, mit Wind, bleibt nicht lange an Ort und Stelle. Ich hole meinen Norwegen Schneebesen mit Teleskopstab aus dem Keller, fege die Front frei, fertig. Wir können los.
Doch ich schnappe noch meine Kamera und laufe vor zum Weg den wir gestern kamen. Wie sieht der aus? Wie die Spuren. 20 m stapfe ich durch 20 cm Schnee, schaue den Weg hoch und runter und decke mir nur: Verdammt! Wo sind die Reifenspuren hin die da gestern noch waren? Der plattgefahrene Schnee? Unser Weg?
ALLES WEG! NIX mehr zu sehen in die Richtung in die wir müssen. Nur noch eine dichte verschneite Fläche! Heilige Scheisse...wir sind etwas am Arsch, glaube ich. In die Richtung, in die wir nicht müssen, sehe ich noch ein wenig die Fahrspuren. Das hilft uns aber nicht.
Vor mir, unsere Strecke, eine langgezogene weisse Fläche. Keinerlei Konturen....doch bei näherem Blick sehe ich: da sind Konturen. Schneeverwehungskonturen! Ich schreib es ungern, aber nochmal VERDAMMT. Wir sind geliefert! Hier am Ende der Welt. Der Weg führt rund 2 km zur nächsten größeren Straße mit Schneeleitpfosten der auch gepflügt wird. Hier...kommt kein Pflug mehr hin! Haben wir uns da übel verzockt?
Ich laufe 100 m den Weg entlang, hier liegen gerne 25 cm kompakter Schnee in der Mitte des Weges. Somit auch auf den Fahrspuren. Hier muss es ordentlich Schnee hingeweht haben. Soooo viel Neuschnee gab es eigentlich nicht.
Mir wird schnell klar. Da kommen wir nicht drüber und durch. Zu viel Schnee in der Spur. Das packt ein Allradler mit etwas Höherlegung. Aber nicht ein Frontler mit Allwetterreifen, auch nicht mit Winterreifen.
Das Problem: es benötigt, um durch den Schnee zu kommen, etwas Geschwindigkeit. Doch wenn man auf dem vielen losen Neuschnee zu schnell fährt, schwimmt man auf, verliert Grip und kommt ins Rutschen. Was hier fatal wäre. Der Weg schmal, links und rechts geht es sofort nen halben Meter runter in den Graben. Hängt man da drin, ist es aus und vorbei.
Somit: bleibt nur langsam! Zudem muss ich immer mal stoppen wenn ich filmen will. Doch wird das so, wie der Van dort jetzt steht, nicht funktionieren, fürchte ich. Wir müssen aufrüsten!
Was brauchen wir?
Allradantrieb, Höherlegung! Das würde helfen. Ich frage Friedrich ob wir das dabei haben, er ist der Zeugwart.
Er schaut mich an, ich schau ihn an, er zeigt mir einen Vogel, fragt ob ich besoffen bin und vergräbt sich anschließend wieder unter der Bettdecke. Ihm ist kalt beim Anblick von so viel Schnee.
Hm...okay...das war jetzt nicht hilfreich. Gut...was haben wir tatsächlich dabei? Etwas, das auf keinem Trip in den Norden oder die Berge fehlen darf: SCHNEEKETTEN! Wer in den Norden oder in die Berge ohne fährt und nicht mehr weiter kommt, weil er keine Ketten dabei hat, ist selber Schuld und muss halt warten...im schlimmsten Fall bis Frühling ist.
Unsereins, mit Erfahrung in den Bergen und im Schnee des Nordens, hat natürlich Ketten dabei. Allerdings bereue ich es etwas, nicht zwei Sätze dabei zu haben. Wenn man etwas abenteuerlich unterwegs ist, abseits fährt, Risiko sucht, kann auch immer mal eine Kette kaputt gehen, reissen, brechen, what ever! Und dann? Steht man da und kommt auch nicht weiter. Hat man dann einen zweiten Satz dabei, ist man der König im Wald.
Gut, wir haben nur den einen Satz Ketten, also vorsichtig sein. Durchdrehende Räder vermeiden, das stresst die Ketten ziemlich, langsam fahren, keine wilden Lenkbewegungen. Aber erstmal muss die Dinger einer drauf machen.
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Immerhin finde ich sie sofort. Liegen schnell erreichbar im Gasfach. Da steht ja nur eine 11 kg Flasche drin, also noch gut Platz für anderes Zeug. Ob man das darf oder nicht ist mir so breit wie hoch momentan.
Zuletzt zog ich Ketten vor...hm...ich weiss es nicht....auf ner Tour mit Jens und Timo in der Schweiz. Einige Monde her.
So kommt es auch, dass vorne rechts etwas länger dauert. Erster Versuch scheitert, zweiter Versuch gelingt. Dann aber eiskalte Finger, erstmal rein in den Van, 10 Minuten Hände auftauen.
Dann die Kette vorne links, erst der Dritte Versucht klappt. Dann sitzt sie. Ich diesmal mit Handschuhen, keine kalten Finger.
Die Pewag Dinger sind selbstspannend. Ich fahre einmal auf unserem Parkplatz im Kreis, steige aus, checke ob alles noch passt. Japp, alles gut. Okay....das war die Hauptprobe, jetzt zählts.
Und natürlich bin ich verrückt genug, um bei Wind und etwas Schneefall auch noch die Drohne in die Luft zu schicken. Co-Pilot weigert sich, bei solchen Bedingungen zu fliegen, das sei lebensgefährlich für die Drohne! So drückt er mir den Controller wieder in die Hand.
Tja, so sitz ich da. Vor mir total verschneiter Weg, ein Lenkrad, Gangschaltung, 165 PS unter der Haube, und n Controller in der Hand. Ich könnte 3-4 Arme und Hände gebrauchen jetzt.
Aber jammern hilft nix, Drohne in die Luft, Gang rein und los. Ab in den komplett unberührten Schnee des Weges. Sowas hab ich auch noch nicht erlebt bisher. Vor allem nicht sooo am Arsch der Welt. Hier ein Fehler und ihr seht uns erst im Frühling wieder.
Die ersten hunderte Meter laufen gut. Im ersten Gang zottln wir dahin. Immer mal wieder stoppen um die Drohne am Himmel anders zu platzieren. Der Co-Pilot schaut dem ganzen trotzig zu. Mir scheint aber, es juckt ihn doch etwas in den Tatzen. Anfahren im Schnee funktioniert, nur schneller darf ich nicht werden. Dann wird es selbst mit Ketten etwas schwammig und rutschig. Also schön langsam.
An einer leichten Steigung mit viel Schnee kommt die Traktion langsam an ihre Grenzen. Trotz Ketten verlieren die Räder an Haftung und beginnen leicht durchzudrehen. Kompakter Schnee untern dem Van hebt ihn etwas an. Ich muss etwas vom Gas gehen, die Ketten und Reifen kämpfen, ich hab noch die Drohne in der Luft, um uns rum Bäume, es ist echt heftig. 200 m kämpfen wir, dann sind wir die leichte Steigung oben, die Reifen und Ketten greifen wieder, wir können mi zweiten Gang niedertourig dahin gleiten. Uff....Alter...das war knapp. So kriechen wir weiter dahin, neben uns Wind und verschneite Bäume, vor uns unberührter Schnee, hinter uns eine gezogene Spur. Eigentlich ziemlich cool.
Nach rund 1,7 km kommen wir endlich an die bereitere Straße von gestern, wo wieder Schneepfosten stecken und die gepflügt wird. Ich stoppe. Schau mir die Straße an. Äh....also ein Pflug war hier noch nicht. Und andere Autos auch nicht. Die Straße verweht und mir wird sofort klar: die Ketten bleiben drauf. Eigentlich müssen wir rechts, doch entscheide ich mich letztlich für links. Zwar ein Umweg für unser Ziel, aber rechts geht es leicht bergauf plus Schneewehen. Und die Strecke ist länger bis sie eine E Straße trifft. Links sind es nur 10 km bis zu einer Hauptverkehrsstraße. Also links.
Drohne ist wieder eingepackt, das Team, atmet einmal tief durch, Blinker links und weiter. Etwas schneller nun, so mit 30 km/h pflügen wir durch den mal mehr mal weniger tiefen Schnee und seine Verwehungen. Entspannter als vorhin, denn die Straße zweispurig und somit mehr Platz wenn man mittig fährt. Außer uns auch weiterhin keiner unterwegs. Bis zur Hauptstrasse sehen wir nur verlassene Höfe, Wald, Bäume. Keine Menschen, keine Fahrzeuge. 2 km vor der E Straße ist die Strecke dann allerdings mittig gepflügt. Die Ketten könnten ab, doch finde ich keinen sinnvollen Halteort. So fahren wir noch bis vor zur E63 mit Ketten, halten dort und ich baue die Dinger schnell ab. Haben einen guten Job gemacht uns uns heute gerettet! Deswegen: NIEMALS OHNE KETTEN!
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Die nächsten Kilometer verlaufen unspektakulär. Die Straße zwar nicht schwarz geräumt aber okay. Wir düsen mit 80 über die Fläche. Mehrheitlich geradeaus. Irgendwann links auf die 28 der wir dann bis Pyhäntä folgen, dort rechts und weiter in Richtung unseres Zielt. Einem Platz am Stausee Uljuan.
Doch eine Hürde wartet noch auf uns. 10 km vor dem Ziel, minus 4°C, beginnt plötzlich Niederschlag. Allerdings kein Schneefall sondern Nieselregen! Alter...das darf doch jetzt nicht wahr sein. Immer in Finnland erwischt mich Nieselregen bei Dauerfrost. Zuletzt jeweils in der Region Inari See. Und jetzt hier 100 km vor Oulu. Was für ein Dreck. Die Straße verwandelt sich in eine Eisbahn, die Scheibe macht Probleme und will zufrieren. Heizung somit volles Rohr auf die Frontscheibe, Geschwindigkeit runter und vorsichtig weiter. Spikes wären jetzt nett, haben wir aber nicht. Muss auch so gehen. Auch die Locals fahren langsamer und vorsichtiger.
So erreichen wir die Zufahrt zum Schlafplatz und düsen dran vorbei, nicht geräumt, unklare Menge an Neuschnee auf der Straße. 800 m später versuche ich eine Parkplatzeinfahrt zu treffen, rutsche jedoch knapp dran vorbei. Bremsen bei Eis....Mist. Also kurz zurücksetzen und rein. Uff. Erstens gibts hier n Mülleimer und zweitens kann ich mal kurz nachdenken. Komme zum Entschluss, wir fahren 800 m zurück und schauen uns die Zufahrt an. Sooo viel Schnee wie dort, wo wir vorhin waren, scheint es hier nicht zu geben zu haben. Evtl. kommen wir ja durch.
Also los, im Schnee auf dem Parkplatz kommen wir gut in Schwung, dann auf die Straße, vereist, kämpfen die Räder um uns Vortrieb zu geben. Und kurz darauf rattert wieder das ABS um uns zu verzögern. Die Einfahrt bekomme ich so gerade und hab dann auch wieder Schnee unter den Rädern und Traktion. Und ja, sooo viel Schnee liegt nicht, zwar etwas verweht aber da brechen wir überall gut durch. Strecke zweispurig, Letztlich problemlos zu fahren. Den ersten Parkplatz schauen wir kurz an, fahren dann aber zum zweiten. Der ist windgeschützter und noch etwas weiter weg von der Straße. Feuerstelle, Bank, Blick auf den gefrorenen See. Herrlich! So muss das sein. Nur Feuerholz gibts keins. Es liegen nur ein paar Stämme rum, sehen aber ziemlich feucht aus. Somit, kein Feuer heute. Schade!
Bevor die Dunkelheit zuschlägt, noch schnell vor die Tür, doch zu erkunden gibt es nicht die Welt. Also wieder rein. heisse Schoggi machen und Laptop starten. War ja auch genug Abenteuer für heute. Mei o mei....das erste mal auf all meinen Skandinavien und Finnland Touren, dass ich Ketten aufziehen musste. Nächstes mal fahre ich hier hoffentlich wieder irgendwie mit einem Allradler hoch. Das macht die Dinge sicherer und einfacher.
Als Abendessen gibts wieder Suppe. Meinem fehlenden Zahn tut das gut. Keine Schmerzen. Nur die ein oder andere Einstichstelle der Betäubungsspritze schmerzt noch etwas wenn ich das Gesicht komisch verziehe oder dran komme. Ich kaue also weiterhin links, bin aber praktisch schmerzfrei. So schön! Was bin ich froh, war ich beim Zahnarzt. Keine Schmerztabletten oder sonstiges.
Gegen 1 Uhr, nach viel Schneidarbeit am Rechner, beschließe ich den Tag. Morgen weiter nach Oulu. So mal der Plan. Was ich nicht weiss...der Plan wird sich ziemlich ändern und ich mache endlich das, was mir nun seit zwei Monaten echt fehlt.
Als letzte Tat vor dem Bett, schaue ich nochmal kurz aus dem Fenster, halte die Kamera raus...filme...und erkenne GRÜN! Am Horizont! Da sind die ersten Polarlichter auf unserer Tour. Weit weg und nicht intensiv, aber GRÜN. Geil. Also nochmal kurz vor die Tür, filmen, und wieder rein. Jetzt aber ins Bett.
Für heute also gute Nacht und bis morgen. Schön wart ihr heute wieder mit uns unterwegs. Danke dafür!
Liebe Grüsse
Kai und Team Schneeketten
GPS Koordinaten:
morgens: siehe Blog vom Vortag abends
abends: 64.321439, 25.870603
Unsere heutige Route: ca. 150 km
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Ulli Ulli (Sonntag, 01 Dezember 2024 15:12)
Hallo Kai, freut mich zu lesen, dass es Dir wieder besser geht! Wird bestimmt von Tag zu Tag besser geworden sein�
Den Mut so zu Reisen, wie Du im Moment mit Schnee, Eis und keinem weiteren Mensch, den habe ich (leider) nicht. Hast Du überhaupt keine Angst so alleine zu Stehen? Meine Hochachtung dafür��
Bin gespannt auf deine weiteren Blogs und Videos! Beim Lesen komme ich mir vor, live dabei zu sein��
Aales Gute und viel Glück � weiterhin auf der Tour auch an Deine Bärenbande! ❤️Ulli
Stephan (Montag, 02 Dezember 2024 01:06)
Hallo Kai, mein erster Text hier. Das war wieder ein schönes Video - danke dafür! Es wird interessant werden, wie sich der Van mit Frontantrieb so schlägt. Mir persönlich gefiehl der "Kai-MAN" der letzten Winter-Tour sehr gut :-) Bin im letzten Sommer 8000km dort oben herumgefahren, war fantastisch; eine Wintertour fehlt mir aber noch. Ich finde es schön, dass Deine Viedeos immer so "aktuell" mit wenig Zeitversatz kommen, so ist man immer irgendwie live dabei. Viele Grüße aus dem akt. 4°C "warmen" Braunschweig, Stephan
Jutta Schmidt (Montag, 02 Dezember 2024 08:42)
Guten Morgen Kai,
das war ein Abenteuer!!! Bin froh,dass es gut gegangen ist. Fast artistisch,Fahren und Drohne fliegen. Ich konnte vor Aufregung nicht weiter essen. Das Grün war die Belohnung für den Mut,zum Zahnarzt zu gehen. Weiterhin sichere Fahrt. Viele Grüße
Jutta