#1004 Polen - Es klopft um 9 Uhr! Ohne Ticket nach Auschwitz Birkenau II

27.09.2024 Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau II, Das Grauen hat einen Ort!

        

Schönen guten Morgen, 

 

nach ruhiger, guter Nacht liege ich noch im Bett und genieße den Morgen. Es ist 9 Uhr, die Bärenbande wattet noch sanft for sich hin. Die Welt ist in Ordnung. Bis es plötzlich an der Schiebetür klopft! Huch....

 

Sofort hört das leise watten der Watteköpfe auf, der Co-Pilot ist hellwach, fährt die Wattekrallen aus und geht in Angriffsposition. Friedrich, ebenfalls sofort hellwach, sprintet zur Messerschublade und holt sich eine Waffe raus. Erst hat er einen Löffel in der Tatze, dann tauscht er ihn gegen ein langes, scharfes Messer! Ich stehe auf, öffne die Schiebtür, vor mir steht ein gewaltiger Mann mit Waffe in der Hand. Völlig perplex schaue ich ihn an, er labert irgendwas auf polnisch. Dann geht es schnell, viele Dinge passieren gleichzeitig.

 

Der Co-Pilot springt den Mann an, zerkratzt ihm Gesicht und Hals, Blut fliesst. Der Mann lässt seine Waffe fallen. Gleichzeitig hängt ihm Friedrich am Bein und nutz sein Messer. Zerfetzt ihm die Hose und was sich darunter befindet. Bindet ihm die Schuhbändel zusammen. Der Mann stürzt auf den Boden. Er ist überwältigt. Co-Pilot und Friedrich tanzen auf ihm rum. Hier und da noch ein Stich...

 

Äh...ja...ähm...ich glaub...meine Phantasie ging hier gerade mit mir durch. Es klopft zum dritten Mal an der Tür. Ich frag mich immer: Woher will der Klopfer eigentlich wissen, dass jemand da ist? Vielleicht bin ich ja schon angeln oder wandern? Wie lange würde er hier noch rumklopfen, bis er aufgibt und schnallt: keiner da? 

 

Ich stehe auf, ziehe mir schnell was über und öffne das Fenster der Schiebetür. Ein Mann, vielleicht Mitte 60 steht vor der Tür. Good Morning!

Er schaut verwirrt....ja, ich sprech kein polnisch! Schonmal auf mein Kennzeichen geschaut? Deutsch. Auf gebrochenem Englisch meint der Herr freundlich, der Platz sei für Fischer. Kein Parkplatz. 

Aha...so ganz versteh ich ihn jedoch nicht. Meint er wir parken hier jetzt den ganzen Tag? Ich erkläre ihm, dass ich in spätestens einer Stunde weg bin. Das beruhigt ihn und er verabschiedet sich. Geht zu seinem Auto und fährt ab. 

Seltsam! 

Haben die hier Angst, dass ich heimlich Fische klaue? Übernachtsungsverbotsschilder gibt es keine, das hatte ich gestern noch gecheckt. Naja, egal...ich beginne zusammenzupacken. Da wir noch was vor haben, müssen wir ohnehin los. 

 

 




30 Minuten später werfe ich die 165 Pferder des KaiWINplus an und fahre ab. Neben mir Co-Pilot und Friedrich, ausgeschlafen und entspannt. Ohne scharfe Krallen, ohne Messer!

 

7 km sind es bis zum Parkplatz von Ausschwitz-Birkenau II. Dem größten Konezentrations- und Vernichtungsslager der Nazis. Hierher wurden Juden und anders denkende sowie andere Minderheiten aus ganz Europa hin transportiert und vernichtet. Vornehmlich in den diversen Gaskammern des Lagers. Manche verhungerten auch einfach, wurden erschossen oder mit der Giftspritze hingerichtet. 

 

Den angedachten Parkplatz können wir jedoch nicht anfahren, Fahrverbot...dennoch stehen dort Fahrzeuge rum. So fahren wir zum neueren Parkplatz, mit Schrankenanlage, Buchshop und viel Platz für Reisebusse und PKWs. 

Doch bevor es los geht, schnell noch was essen und ein paar Dinge am Rechner erledigen. Währenddessen füllt sich der Parkplatz stetig. Ein Reisebus nach dem anderen fährt auf den Platz. 

 

Gegen Mittag bin ich parat, schnappe meinen Rucksack und laufe zum Eingang des KZ, neudeutsch jetzt KL genannt. Ich bleibe bei KZ. 

 

Dort die Überraschung: Tickets kann man hier keine kaufen! Die gibt es nur in Auschwitz-Birkenau I. Dem Lager in der Stadt. Ein Shuttlebus pendelt zwischen den beiden Lagern hin und her. Das Erfahre ich von einem leicht genervten Security Mitarbeiter.

Oh man...was ist das denn für ein Mist...das kostet mich jetzt sicherlich ne Stunde bis ich ein Ticket habe. 

 

Ich beobachte die Lage. Es gibt praktisch keine Eingangskontrolle. Kein Drehkreuz. Nix. Ein paar Bändel sind gespannt, aber theoretisch kann man einfach reinlaufen. 

Als der Security Mitarbeiter kurz im Gebäude verschwindet, wittere ich meine Chance. Schnellen Schrittes laufe ich auf den Eingang zu und durch...zack drin...nicht ganz legal...aber was solls. Ziel erreicht: wir sind im Lager. 197 ha liegen vor mir. 

 

Also los, ich folge diversen Pfeilen, erstmal den Bahngleisen entlang. Hier kamen die Züge voller Menschen an. Fuhren durch einen Bogen im Hauptgebäude auf das Gelände. Ein Gleis führt rein, teilt sich dann in zwei, so dass maximal zwei lange Züge abgefertigt werden konnten. Der schottrige Bahnsteig sicher locker 400 m lang. 

 

Wer hier ankam, war dem Tode geweiht. Die erste Selektionierung fand direkt am Bahnsteig statt. Die fitten Menschen wurden ins Lager aufgenommen. Die unfitten, schwangeren, behinderten wurden praktisch direkt der Gaskammer zugeführt. Die Nazis brauchten Menschen zum arbeiten, die Schwachen wurden sofort vernichtet. 

Ihr Hab und Gut, jeder durfte rund 25 Kg Gepäck mitnehmen, wurde den Menschen sofort abgenommen. Den Juden erzählte man bei der Deportierung, dass sie umgesiedelt werden und nur das Wichtigste mitnehmen dürften. Ja, und das waren sie hier dann bei Ankunft sofort los. Geld, Schmuck, Lebensmittel, Kleidung. Weg! Da freuten sich Nazis und SS drüber. 

 

Die fürs Lager bestimmten Menschen wurden nun in der Sauna, einem Gebäude am hinteren Ende des Lagers, entkleidet, kahl rasiert und mit heissem und kaltem Wasser behandelt. Sie bekamen ihre KZ Kleidung und eine Nummer wurde auf die Hand tätowiert. Von nun an keine Mensch mehr, nur eine Nummer. 

 

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Im Anschluss kamen sie in ihr Lager, Frauen und Männer getrennt. Holz oder Steinbaracke. Hunderte Menschen in einem langen Gebäude. Manche überlebten Wochen, andere Monate. Gestorben sind die meisten irgendwann. 

Entweder in den diversen Gaskammern oder durch die unterirdischen hygienischen Bedingungen, harte Arbeit, wenig Essen, Krankheiten, Seuchen oder eine Mischung aus allem. 

 

Glück brauchte es, wenn man länger überlebte. Wer in der Küche arbeitete, oder in dem Bereich "Canada" wo die Sachen der angelieferten Menschen durchsucht und eingelagert wurden, kam eher mal an etwas zu essen und die Arbeit war nicht sooo hart. 

Alle anderen waren eher dem Tode geweiht. Wer zu schwach zum arbeiten war, wurde vergast. Tut mir leid, dass ich das hier alles so hart schreiben, doch ganz genau so war es!

 

Der Alltag im Lager?

Früh aufstehen, als Frühstück ein wässriger Tee, arbeiten bis Mittag. Mittags eine Suppe aus Gerste und vergammeltem Gemüse. Abends war um 18 Uhr Feierabend. Zu Essen gab es Brot, wässrigen Tee und etwas Käse oder Wurst. 

Unterm Strich, für alle die hart arbeiten mussten, zu wenig um länger überleben zu können. 

 

Wer außerhalb des Lagers arbeitete, musste zu Fuss zu seiner Arbeitsstelle laufen. Hatte aber dort evtl. die Möglichkeit, mit Hilfe der Einheimischen, an Essensportionen zu kommen. Was das Leben auch verlängern konnte. 

 

Doch durch die unterirdischen hygienischen Bedingungen im Lager, grassierten auch immer wieder Seuchen. Alles in allem also Bedingungen, die ein langes Überleben als Glücksache darstellen ließen. 

 

Die Gräueltaten gingen natürlich im Lager weiter. Medizinische Tests ohne jegliche Betäubung, stundenlanges warten unter freiem Himmel, sommers wie winters vor der Sauna und den Gaskammern, ohne Kleidung. Heftige Bestrafungen für die kleinsten Verfehlungen. Wer zu flüchten versuchte und geschnappt wurde, hing am Galgen. 

 

Die Menschen hatten permanent Hunger, litten unter Kälte und Hitze, Moskitos, den hygienischen Bedingungen und hatten keine Chance, dem Elend zu entkommen. 1,1 bis 1,5 Millionen Menschen aus ganz Europa wurden hier getötet. Vergast, erschossen, mit der Giftspritze vernichtet. Alle wurden verbrannt. 

 

All dies erfährt man bei  dem Gang über das Gelände. Gebäude sind offen, ich sehe die Unterbringungen. Im hinteren Teil des riesigen Geländes die am Ende des Krieges von der SS zerstörten Krematorien und Gaskammern. Die Nazis versuchten Spuren zu verwischen. Zerstörten alles, was ging. Setzen ganze Lager in Brand. Die Gaskammern wurden gesprengt. 

 

Ein Denkmal für die Verstorbenen, eingerahmt von je einer zerstörten Gaskammer, liegt ebenfalls im hinteren Bereich des Lagers. Und als ich noch weiter laufe, komme ich zum Sauna Gebäude. Das heisst wirklich so, steht auf den Schildern. Leider verschlossen. Doch stoße ich noch auf zwei weitere Gaskammern und Krematorien, nichts als die Grundmauern übrig. Mittlerweile hat Regen eingesetzt, der Himmel weint ob all der Gräueltaten hier. 

 

Mit der Zeit entwickelten sich Widerstandsgruppen im Lager. Ein Aufstand wurde niedergeschlagen, die Beteiligten sofort getötet.   

 

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Es ist für mich schwer zu verstehen, wie Menschen zu solchen Gräueltaten fähig sein können. Unfassbar, was hier abgelaufen ist, wie hier eine Ideologie verfolgt wurde, die so unfassbar bescheuert ist, das doch jedem normal denkenden Menschen klar sein muss, das ist total bescheuert! Unschuldige Menschen zu töten, nur weil sie einen anderen Glauben haben, anders sind, anders denken... 

Wie krank muss ein Hirn sein, um überhaupt auf so eine Idee zu kommen? Wie limitiert der gesunde Menschenverstand, sowas durchzuführen? 

 

Gegen 16 Uhr habe ich fertig. Verlasse die letzten Reste einer Gaskammer, laufe durch einen kleinen Wald in dem die dem Tode geweihten auf ihrer Vernichtung warten mussten und laufe den kilometerweiten Weg zurück zum Eingang. Die Ausmasse des Lagers gewaltig, zieht euch gute Laufschuhe an wenn ihr es besucht. Ihr werdet einige Kilometer machen. Und es lohnt sich, diesen Ort anzuschauen. Einfach um nicht zu vergessen, was damals hier passiert ist. Welches Leid unschuldigen Menschen angetan wurde. 

 

Meine Generation kann für all dies nichts mehr, uns für das verantwortlich zu machen, was damals passierte, ist der falsche Weg. Aber vergessen darf man all das, was 1940-1945 hier lief auf keinen Fall. Es muss ein Mahnmal bleiben, in der Hoffnung, dass so etwas in Europa nie wieder vorkommt. Von der Welt will ich hier gar nicht sprechen, denn es gibt genug Kriege und Unruheherde, in denen noch immer vertrieben, getötet und verschleppt wird, Minderheiten getötet und vernichtet werden. Die Gräueltaten nehmen kein Ende. 

 

Ich laufe im Regen zurück zum Van und muss erstmal mein Hirn sortieren. Hunger stellt sich ein, also etwas Schwarzbrot mit Käse und Schinken. Im Anschluss ein wenig arbeiten und gegen 18:30 zahle ich 80 PLN für das Parkticket und fahre ab. Und zwar Richtung Lager 1.

 

3 km später erfahre ich vor Ort, dass man auf dem Parkplatz von Lager I auch gegen Geld nicht nächtigen darf. Doch hab ich Glück, direkt an der Straße vor dem Museum des Lagers 1 sind einige Parkbuchten frei. Kostet nix. Aber direkt an der Straße. Egal...kurze Wege. Ich parke und werde morgenfrüh zeitig ins Lager 1 aufbrechen. Wenn wir schon hier sind, will ich das auch noch sehen. 

 

Der Regen hört heute auch nicht mehr auf, draußen wird es mit einsetzender Dunkelheit ruhiger, immer weniger Autos zischen vorbei. Ich mache mir meine restlichen Maultaschen mit Nudeln in Suppe. Und nachdem es ja den ganzen Tag schon um Gas ging, streikt nun meine große Flamme des Gaskochfeldes. Sie bleibt nicht an! Egal was ich mache, sobald ich den Knopf nicht mehr drücke, geht die Flamme aus. Ich hasse Gas!

So erhitze ich mein Essen auf der kleinen Gasflamme, die tut immerhin noch. 

 

Im Anschluss arbeite ich den ganzen Abend am Video von gestern und heute. Beim Schnitt wird mir nochmal so richtig bewusst, wie unfassbar grausam es im Lager zu ging. Der Besuch des KZ Lagers II geht nicht spurlos an mir vorüber, das ist schonmal klar. Über Nacht alles sacken  lassen und morgen dann KZ Lager I.   

 

Um Mitternacht geht für mich der Tag zu Ende. Gute Nacht und bis morgen. 

 

Viele Grüsse

Kai

 

 

 

GPS Koordinaten:

morgens: siehe Koordinaten vom Vortag, abends.

abends: Dirket vor Lager Auschwitz Birkenau I

 

Unsere heutige Route: ca. 15 km

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Reyhan (Sonntag, 13 Oktober 2024 16:40)

    Man vergisst die Eindrücke ein Leben lang nicht !